31 Juli 2006

 

Einmal Testo-Gedeck, bitte!

Dank Floyd Landis wissen wir ja nun, was es braucht um eine grandiose Leistung auf dem Fahrrad zu vollbringen: Training? Ach, Quatsch! Doping? Ich bin sauber! Nein, zwei Bier und (mindestens) vier Whisky, und man fährt am nächsten Tag wie ein junger Gott. Da meinereiner für die Teilnahme an einem Radmarathon etwas früher aufstehen muß als Herr Landis für seine Touretappen, beließ ich es am Vorabend des Arberradmarathons bei einem Bier und einem Grappa, außerdem sparte ich mir den obligatorischen Einbruch am Vortag, in dem ich einfach gar nicht fuhr. Aber ein bißchen mehr der Reihe nach.
Der Arberradmarathon in Regensburg gehört zu den größen Radmarathons in Deutschland und bietet auf der großen Runde mit 250 km und 3300 Hm einiges an Schwierigkeiten, auch wenn es mit Sicherheit schwerere Radmarathons gibt, nicht nur im Alpenraum. Aber wie heißt es doch immer so schön wie abgedroschen: es sind die Fahrer, die ein Rennen schwer machen und nicht die Strecke. Als ehemaliges VCR-Mitglied war mir eine Teilnahme am "echten" Arber in meiner Regensburger Zeit leider verwehrt, dennoch war mir von der vereinsinternen Streckenbefahrung die Strecke zumindest noch teilweise bekannt. Daher wollte ich diese Teilnahme dieses Jahr im Kreise einiger Vereinskollegen nachholen. Schließlich fanden sich Ingo und Matthias als Mitfahrer, die Runde wurde von Markus und zwei Freunden von Markus komplettiert. Markus, Basti und Hannes wollten die 170km-Runde in Angriff nehmen, während es für Ingo, Matthias und mich schon die große 250km-Runde sein mußte.
Der Vorabend wurde bei Pasta und Bier (Erklärung siehe oben ;-)) verbracht. Ingo, Matthias und ich sorgten für Erstaunen und Freude seitens der Küchenchefin, in dem wir alle drei noch bevor wir aufgegessen hatten die zweite Portion Pasta orderten; so ganz wollten wir uns dann doch nicht einzig und allein auf das Testo-Gedeck verlassen.
Nach einer kurzen Nacht (mein Wecker klingelte um 4:30 Uhr) treffe ich mich um 5:15 Uhr mit Matthias und Ingo, um zum Start zu fahren.


Gegen 5:30 Uhr treffen wir am Start ein, das reicht um sich ziemlich weit vorne in der Startaufstellung einreihen zu können. Eigentlich sah die Planung vor, die Strecke als Trainingsfahrt unter leicht verschärften Bedingungen zu nutzen, trotzdem ist es nie verkehrt beim Start weit vorne zu stehen; man geht damit einfach der Sturzgefahr aus dem Weg.



Punkt 6 Uhr gibt Regensburgs Oberbürgermeister den Startschuß ab, rund 1500 Rennradler setzen sich im nebligen Morgengrauen in Bewegung. Die ersten 15km sind flach; Matthias, Ingo und ich sind in erster Linie damit beschäftigt Plätze nach vorne gutzumachen. Wenigstens bis zum Arber vorne mitfahren war das unausgesprochene Ziel. Im ersten Anstieg ist es dann mit der Ruhe schon etwas vorbei, es wird durchaus relativ zügig gefahren.



Ein herrlicher Ausblick bietet sich uns, als wir das erste Mal durch die Nebeldecke hindurchstoßen und uns die Morgensonne entgegen leuchtet. Durch den Nebel ist es zwar etwas kühler als in den letzten Wochen, aber das schadet ja in keinster Weise und ist sehr angenehm. Nach den ersten kleineren Anstiegen und ca. 40-50 absolvierten Kilometern stelle ich mich an den Straßenrand: die Blase drückt. Dadurch sehe ich, daß die erste Gruppe sich schon etwas vom Rest der Teilnehmer abgesetzt hat; noch ca. 100-120 Fahrer sollte die erste Gruppe umfassen. Ohne Probleme gelange ich (auch dank der Unterstützung von Ingo und Matthias) zurück ins Feld. Weiter geht es in zügigem Tempo (der Schnitt lag zu diesem Zeitpunkt bei rund 35 km/h!) Richtung Cham. Die dort befindliche Verpflegung lassen wir aus; die Getränke sollten bis zur Verpflegung in Regenhütte reichen. Durch die in einem Kreisverkehr entstehende kurze Unordnung, gelangen Matthias, Ingo und ich an die Spitze des Feldes: ein Augenblick, den Ingo sofort mit seiner Kamera festhält.


Im nun langsam steiler werdenden Terrain, halten wir noch mal kurz mit ein paar weiteren Fahrern an, um ein weiteres Mal auszutreten. Dieses Mal fällt der Anschluß ans Feld schon etwas schwerer, ich lasse Matthias und Ingo zunächst hinter mir. Kurze Zeit später kommt Matthias zurück und meint, Ingo sei zurückgefallen, hätte den Anschluß ans Feld nicht wieder geschafft. Mittlerweile sind rund 90 km absolviert, die Fahrzeit beträgt gerade Mal rund 2:40 h. Bald müßte der erste längere Anstieg, der Anstieg zum Arber erreicht sein. Ich unterhalte mich mit Matthias, der meint, er müsse dann wohl reißen lassen, wenn es in den Anstieg hineinginge. Obwohl wir eigentlich eine "gemütliche Kaffeefahrt" geplant hatten, kommt schon zum jetzigen Zeitpunkt der Wettkämpfer in mir durch: wenn ich vorne dabei bin, kann ich nicht einfach so auf gemütlich fahren umschalten. Kurze Zeit später reihen sich die Amateure vom VCR vorne zu viert ein, und schrauben das Tempo in der Anfahrt zum Arber mal locker von ca. 35 km/h auf satte 45 km/h. Jetzt wird Einerreihe gefahren, das Feld zieht sich in die Länge, die wollen ganz klar nicht mit einer so großen Gruppe in den Anstieg fahren. Nach rund 10km Tempohatz geht es in den Anstieg zum Arber hinein: große Scheibe vorne, Tempo 30,31,32, hinten bröckelt das Feld auseinander, vor mir reißt ein Loch, das ich noch mal schaffe zuzufahren. Vorne 3 Regensburger (darunter Stefan Thaller, Vierter des diesjährigen 3-Länder-Giro), Stefan Mistler (in den letzten 4 Jahren zweimal Sieger des Arberradmarathons, Sieger des GP Schwarzwald in den beiden vergangenen Jahren) und zwei weitere Fahrer, die mir unbekannt sind. Noch hänge ich dran, aber der Puls hämmert mit 185 Schlägen pro Minute, wenn ich so weiterfahren würde, würde ich das Ziel in Regensburg gar nicht oder nur auf dem Zahnfleisch erreichen. Also lasse ich abreißen, versuche mein eigenes Tempo zu finden. Hinter mir kann ich einen weiteren Fahrer erkennen, auf ihn warte ich. Gemeinsam fahren wir zügig, aber nicht zu schnell Richtung Paßhöhe. Kurz vor der Paßhöhe überholen wir einen Fahrer der 6er-Spitzengruppe. Dann geht es die kurze, nicht allzu schwierige Abfahrt hinunter nach Bayerisch-Eisenstein. Auf der leicht abschüßigen Straße werden wir von einer 5er-Gruppe wieder eingeholt. In Regenhütte fülle ich nur kurz meine Flaschen, essen wäre jetzt total verkehrt: es folgt der schwierigste Anstieg des Arberradmarathons, der Anstieg zum Bretterschachten. In der Verpflegung werden wir von ein paar Fahrern überholt, die die Verpflegung auslassen, so daß ich den Überblick über meine Platzierung verliere. Zu viert nehmen wir den Anstieg in Angriff, ein Antritt meines Begleiters vom Arberanstieg führt dazu, daß wir die beiden anderen Mitstreiter abhängen. Ich übernehme die Tempoarbeit für uns beide, fahre kurzzeitig auf Wunsch meines Begleiters etwas langsamer. Trotzdem kommt nach kurzer Zeit von hinten die Ansage, ich solle zufahren. Auf dem Gipfel des Bretterschachten hole ich einen Fahrer ein und werde selbst von einem von hinten kommenden Fahrer aus Herpersdorf (wie an seinen Radklamotten unschwer zu erkennen ist ;-)) eingeholt. Wir sind also nun zu dritt. So geht es in rasanter Abfahrt hinunter nach Bodenmais.


Auf den folgenden leicht abschüßigen Kilometern versuchen wir durch regelmäßige Ablösungen das Tempo hochzuhalten. Vor uns taucht ein weiterer Fahrer auf, zu dem wir an einer leichten Welle aufschließen; er hatte auf uns gewartet. Dafür ist einer der anderen beiden Fahrer an der Welle abgefallen, wir sind also wieder zu dritt. Auf dem Trikot des eingeholten Fahrers lese ich "Die Zyklonauten". Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor.... Genau, Tour-Forum! Der eingeholte Zyklonaut stellt sich mir auf Nachfrage als "Tourmentor" vor. Zu dritt geht es in die nächste kürzere Steigung hinein, nach ein paar weiteren kürzeren Wellen, kommt der Anstieg hinauf nach Kolmberg. Diesen hatte ich als heimtückisch und vor allem extrem heiß in Erinnerung. Ich sollte mich nicht täuschen. Obendrein treffen hier die große Tour A (250km) und die kleinere Tour B (170km) zusammen, was einerseits den Vorteil hat, daß man nun nicht mehr allein auf der Strecke ist, andererseits aber den großen Nachteil in sich birgt, daß man es mit vielen langsamen Fahrer (und Fahrerinnen) zu tun hat, denen das Geradeausfahren teilweise doch recht schwer fällt. Mehr als einmal kommt es zu brenzligen Situationen; die Geschwindigkeitsunterschiede am Berg sind teilweise schon frappierend.



Ungefähr in der Mitte des Anstiegs zieht mein Begleiter aus Herpersdorf das Tempo ein bißchen an; ich kann dieser Tempoverschärfung zunächst nicht folgen, kämpfe mich aber wieder heran, wahrscheinlich auch dadurch begünstigt, daß er das Tempo wieder ein bißchen rausnimmt. Leider fällt Tourmentor auch ein Stück zurück, ruft mir noch etwas von wegen Doping hinterher, was ich ihm mit meinem Testo-Gedeck vom Vorabend erkläre. Ich sehe in erst im Ziel wieder. Irgendwo in diesme Anstieg überholen wir auch einen Regensburger Fahrer der ehemaligen Spitzengruppe, die sich am Fuße des Arbers gebildet hatte. Oben an der Verpflegung ist die Hölle los: wir kämpfen und drängeln uns nach vorne, wir haben es etwas eiliger als die meisten Fahrer der 170er Runde. Schnell die Flaschen auffüllen, zwei halbe Bananen schnappen und weiter geht's. Irgendwo hier überholen wir Hannes und Basti, die dem Augenschein nach auch noch recht fit sind; Markus war auf die 125km-Runde abgebogen, wie ich im Vorbeifahren von Basti und Hannes erfahre.



Nach einer kurzen Abfahrt folgt der Anstieg zur Maibrunner Höhe, mittlerweile tauchen von Zeit zu Zeit meine Eltern am Streckenrand auf und verewigen mein Tun in digitaler Form, teilweise sogar in bewegten Bildern, wie ich allerdings erst hinterher erfahre. Das Auftauchen meiner Eltern hat, neben der dadurch möglichen Bebilderung diese Berichts, einen zweiten hübschen Nebeneffekt: ich kann die Weste, die Armlinge und die Handschuhe loswerden, die ich morgens beim Start wegen der Kühle gebraucht hatte und bis zu diesem Zeitpunkt in meinen Trikottaschen transportieren mußte. Von der Maibrunner Höhe hinab folgt erst einmal eine etwas längere Abfahrt, bevor es über leicht welliges Terrain bis zum letzten nennenswerten Anstieg bei Ascha geht.



In diesem Anstieg setzt sich mein Herpersdorfer Begleiter immer wieder ein paar Meter von mir ab, wartet dann allerdings freundlicherweise immer wieder auf mich. Ob das wirklich nur an den Lightweight-Laufrädern liegt, wie er versucht mir zu erklären?! Wir erreichen die letzte Verpflegung bei Saulburg: hier wollten Matthias, Ingo und ich eigentlich ganz gemütlich ein kühles Kneitinger trinken, bevor es auf die letzten 45 km gehen sollte. Daran ist jetzt nicht zu denken: erstens ist es an der Verpflegung so voll, daß ich sogar darauf verzichte nochmals Wasser nachzutanken, und zweitens hätte mich ein Bier zu diesem Zeitpunkt wohl ins Jenseits befördert. Also wird diese Verpflegung auch ausgelassen, irgendwie muß die restliche Flüssigkeit in meinen Flaschen bis Regensburg reichen. Wir holen einen weiteren Regensburger der ehemaligen Spitzengruppe ein, liegen also jetzt mit ziemlicher Sicherheit in den Top10. Die letzten 40 km gehen flach durchs Donautal nach Regensburg, zum Glück finden wir noch ein paar Mitstreiter, so daß es uns gelingt das Tempo bei 35-40 km/h zu halten. Meine Führungen fallen allerdings von Ablösung zu Ablösung immer kürzer aus, viel ist nicht mehr drin in meinen Beinen. Insgesamt verläuft die Rückfahrt nach Regensburg eher unspektakulär. Am Ortseingang von Regensburg werden wir auf den Radweg umgeleitet und an jeder roten Ampel rigoros zum Anhalten gezwungen. Ein in meinen Augen ziemlich albernes Verhalten seitens der Polizei, aber was will man machen.... Es ist ja bestimmt sicherer mit Tempo 35 auf einem Radweg zu fahren als auf der Straße. Schließlich ist das Ziel am Dultplatz in Regensburg erreicht.


Das Erreichen des Ziels verläuft eher unspektakulär, kein Sprecher, der einen ankündigt (wie noch bei La Marmotte geschehen), kaum Zuschauer, nur Unmengen von Radlern, die von den kürzeren Runden zurückkommen und ebenfalls das Ziel erreichen. Nach meiner Zieldurchfahrt treffe ich Stefan Mistler (dieses Jahr Zweiter) und erfahre von ihm, daß bisher vielleicht 3 oder 4, maximal 5 Fahrer der großen Runde im Ziel sind. Ich habe also definitiv einen Top10-Platz erreicht, meine Bruttofahrzeit (inkl. aller erzwungenen Ampelstops) liegt bei 7:20 h, die Nettofahrzeit ist rund 5-6min kürzer; dummerweise spinnt mein Tacho im Ziel etwas rum, so daß meine Tagesaufzeichnungen gelöscht werden. Ein Radio-Reporter vom Bayerischen Rundfunk befragt Stefan Mistler und mich noch kurz zu unseren Eindrücken von der Strecke. Blöderweise vergesse ich zu fragen, wann und wo der Beitrag zum Arberradmarathon gesendet werden würde. Kurze Zeit später erreichen Hannes und Basti das Ziel; auch sie sind mehr als zufrieden mit ihrem Abschneiden. Matthias und Ingo treffen ca. 40 min nach mir im Ziel ein; sie hatten sich ein Radler in Saulburg gegönnt :-) Markus taucht auch auf: frisch geduscht und bereits umgezogen. Zu sechst holen wir uns das wohlverdiente Essen und das noch wohler verdiente Bier und lassen das Erlebte noch ein wenig wirken.


Fazit: Tolles Wetter (nach anfänglichem Nebel schön sonnig, aber nicht mehr ganz so heiß wie in den letzten Wochen), tolle Streckenabsicherung (Begleitmotorräder bis Kilometer 100, danach Verkehrsregelung an jeder Kreuzung), zur Verpflegung kann ich nicht viel sagen, da ich an zwei der vier Verpflegungen vorbeigefahren bin. Ein Danke auch an die diversen Leute im Ziel, die uns ihre Getränkebons geschenkt haben. Leider mußten wir noch mit Auto zurückfahren, sonst hätten wir uns wohl noch ein paar Bier anstelle von Cola geholt ;-)
Arberradmarathon 2006, in allen Belangen ein schönes Erlebnis!

P.S.: Vielen Dank an meinen Vater für die, wie ich finde, phantastischen Bilder! Ich hoffe, daß ich in den nächsten Tagen noch ein paar Bilder von Markus und Ingo bekomme, so daß ich den Bericht bildertechnisch noch ein bißchen aufpeppen kann. Der Mensch ist schließlich ein Augentier (gell, Markus?!).

EDIT: Bilder von Ingo hinzugefügt.

Comments:
genau, der mensch ist ein augentier. deshalb macht es so auch mehr spass zu lesen. wobei natuerlich ein paar passende landschaftspanoramen noch das i-tuepfelchen gewesen waeren... aber es geht ja auch nicht um die landschaft.
 
Der Autor ist leider viel zu narzistisch veranlagt um seinen kostbaren Webspace mit Landschaftsaufnahmen zu füllen.
 
ja, deswegen traegt der autor ja auch ein italien-trikot! damit man ihn immer sofort erkennt!
 
@marco: Wie wäre es mit photobucket punkt com oder flickr punkt com :)
Toller Bericht! Und Glückwunsch!
 
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