09 September 2005

 

Pforzheim - Basel: Eine Nord-Süd-Durchquerung des Schwarzwalds in zwei Tagen

Diese Woche Montag kam mir ganz spontan die Idee mit dem Fahrrad eine zweitägige Durchquerung des Schwarzwaldes in Nord-Süd-Richtung zu unternehmen. Der Wetterbericht war günstig, außerdem sollte es meine letzte freie Woche sein, bevor wieder universitäre Verpflichtungen mich in Beschlag nehmen würden. Die Planung ging schnell: als Streckenvorlage diente die Tour "Pforzheim-Basel" aus dem Buch "Jan Ullrich: Meine Lieblingsradtouren im Schwarzwald". 309km mit 4426 Höhenmetern sollte die Tour laut Streckeninfo umfassen. 309km, da bot sich an, die Tour auf zwei Tage zu verteilen; St. Georgen nach 144km laut Streckenplan wählte ich als Etappenziel für den ersten Tag. Die Planung sah dann vor, Mittwoch am frühen Vormittag einen Zug von Freiburg nach Pforzheim zu nehmen, in St. Georgen zu übernachten und am Donnerstag wieder mit dem Zug von Basel nach Freiburg heimzufahren. Schnell war eine Zugverbindung mach Pforzheim gefunden, die Fahrkarte fast ebenso schnell gekauft. Am Dienstagabend wurde dann ein kleiner Rucksack mit Zivilbekleidung sowie dem nötigsten an Verpflegung und Kartenmaterial gepackt. Ich war sehr gespannt, wie ich mit dem Rucksack klarkommen würde, es sollte schließlich meine erste Tour mit Rucksack werden. Obwohl ich mich wirklich auf das Allernötigste beschränkt hatte, war der Rucksack doch erstaunlich schwer. Nach einem ausgiebigen Frühstück schwang ich mich auf mein Rennrad, um zum Bahnhof zu fahren, da fiel mir auf, was ich eigentlich vor der nächsten Fahrt mit diesem Rad unbedingt hatte machen wollen: die Kurbel knarzte nahezu unerträglich, nicht umsonst hatte mir der Mechaniker, der die Kurbel zwei Wochen vorher montiert hatte, gesagt, ich solle die Kurbel nach rund 200km nochmals nachziehen. Dazu war jetzt leider keine Zeit mehr, ich mußte ja meinen Zug erwischen. Das konnte ja heiter werden mit dem Geknarze! Die Zugfahrt verlief eher langweilig, Regionalzüge sind etwas fruchtbares, aber in den Fernverkehrszügen sind der Fahrradmitnahme ja so große Hürden in den Weg gestellt, daß spontane Aktionen nahezu unmöglich sind. Von den Preisen mal ganz zu schweigen. Das Thema "Fahrradmitnahme in Zügen der Deutschen Bahn" wäre eigentlich mal einen eigenen Kommentar wert, soll aber nicht zum Gegenstand dieses Berichts werden. Um halb elf war ich schließlich in Pforzheim angekommen. Los ging es durch das Würmtal in Richtung Tiefenbronn, wo ich es zum ersten Mal schaffte, mich zu verfahren, was zur Folge hatte, daß ich in Bad Liebenzell bereits rund zehn Kilometer mehr auf dem Tacho stehen hatte als die Kilometerangaben der Streckenkarte vorhergesagt hatten. Na toll, wenn das so weiterging.... Weiter ging's allerdings erstmal durchs Nagold-Tal Richtung Hirsau und von hier einen sechs Kilometer langen Anstieg hinauf nach Oberreichenbach. Irgendwie schien das heute nicht mein Tag zu sein, ich verfluchte alles: das Geknarze meiner Kurbel, den Rucksack, der bereits nach zwanzig Kilometern angefangen hatte mir Rückenschmerzen zu bereiten, die Steigung sowieso und zu warm war es mir obendrein auch noch. Am liebsten hätte ich mich einfach in den Straßengraben kippen lassen, um dort eine Runde zu schlafen. Aber ich mußte ja weiter, ich hatte ja gerade einmal rund 35 Kilometer von knapp 150 zu fahrenden absolviert. Hinter Agenbach führte mich die Strecke dann auf die B294, die erstaunlich wenig Verkehr, dafür aber guten Asphalt zu bieten hatte. So langsam hatte ich mich gefangen, obwohl die Straße die Art von Steigung aufwies, die Radfahrer überhaupt nicht leiden können: konstant so 2-4 % Steigung, die man allerdings nur wahrnimmt, weil der Tacho trotz großer Anstrengungen nicht mehr als 20-24 km/h anzeigen will.Bei Besenfeld verließ ich die Bundestraße, um wieder ins Nagoldtal abzuzweigen. Auf einem kleinen Sträßchen folgte eine kurze Abfahrt, die mir zum ersten Mal "Schwarzwaldfeeling" vermittelte; diese kleinen Seitenstraßen waren es, auf die ich mich gefreut hatte, da sie in aller Regel sehr verkehrsarm sind und oftmals schlicht und einfach als "malerisch" zu bezeichnen sind.
Über ein Örtchen namens Igelsbach ging es zurück auf die B294 und weiter nach Freudenstadt. Ab Freudenstadt sollte laut Profil eine rund zwanzig Kilometer lange Abfahrt folgen; es ging zwar auf den folgenden rund 25 Kilometern bis Schiltach nicht nur bergab, aber immerhin rollte es doch wesentlich besser als zuvor auf der Bundesstraße. Mittlerweile fühlte ich mich wieder besser, das Geknarze meiner Kurbel nahm ich nur noch wahr, wenn ich darauf achtete. Was so ein Stück Himbeerkuchen und eine Cola, die ich bei einem Stop in einem freudenstädter Café zu mir genommen hatte, doch alles bewirken können....Nach rund 130km erreichte ich Schiltach, ein mir bis dahin komplett unbekanntes Städtchen, das sich dadurch auszeichnet, daß die "Innenstadt" fast komplett aus Fachwerkhäusern besteht.
Ab hier begann die Straße wieder leicht zu steigen, schließlich befand ich mir hier nur noch auf rund 350m ü.NN. und mein Tagesziel St. Georgen liegt auf rund 900m ü.NN. Bis Schramberg war die Steigung noch mäßig, danach folgte ein ca. 5 Kilometer langer Anstieg hinauf nach Hardt, der in der Tat ziemlich hart war. Mittlerweile war es richtig warm geworden, und der Schweiß rann mir nur so herunter.Über eine weiterhin leicht ansteigende Straße ging es dann weiter Richtung St. Georgen, und nach insgesamt 155km und knapp 2200 Höhenmetern war mein Tagesziel erreicht. Ich fand ein nettes kleines Hotel Garni, in dem ich die Nacht verbringen konnte. St. Georgen selbst ist leider kein allzu sehenswertes Städtchen, so verbrachte ich den restlichen Abend abgesehen von einem kurzen Besuch bei einem Italiener zwecks Nahrungsaufnahme vor dem Fernseher. Immerhin hatte ich ja auch noch knapp 170km vor mir, bis Basel, das Ziel meiner Tour erreicht war. Das Profil des nächsten Tages versprach jedoch etwas einfacher zu werden; was Wunder, schließlich ging es ja netto von 900m auf 350m hinab.
Am nächsten Morgen erfuhr ich von meiner Hotelwirtin, daß die B500 zwischen Neueck und Thurner gesperrt sei. Da dieser Abschnitt auf der B500 Teil meiner Tour sein sollte, mußte ich also umdisponieren. Ich entschied mich ab Furtwangen statt über die B500 durch das Linachtal und über Hammereisenbach nach Neustadt zu fahren. Das würde mir sogar ein paar Höhenmeter ersparen, so meine Überlegungen, außerdem kannte ich Strecke über die B500 zur Genüge. Nach einem letzten Blick zurück auf St. Georgen, ging es also zunächst einmal nach Furtwangen.
In Furtwangen bog ich dann in das Linachtal ab, wo ich um diese Uhrzeit nahezu komplett allein war, auf den folgenden rund 10km begegneten mir gerademal zwei Autos und vier Radfahrer. Wenn man doch nur immer so viel Ruhe hätte beim Radfahren!Vorbei ging es an der Linachtalsperre, einer Talsperre aus den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, die nicht mehr in Betrieb ist. Ihrerzeit wohl das erste Bauwerk in einer neuartigen "Schalenbetonkonstruktion", wie ich einer Tafel entnehmen konnte. Ein imposantes Bauwerk jedenfalls.Über Hammereisenbach und Eisenbach erreichte ich schließlich Neustadt. Weiter ging es am Titisee vorbei Richtung Bärental, wo ich zwischendurch noch einen Blick auf das Feldbergmassiv erhaschen konnte.Von Bärental aus führte mich mein Weg weiter in Richtung Schluchsee. Der Schluchsee ist Teil eines ausgedehnten Systems von Stauseen im Südschwarzwald, welches der Stromerzeugung aus Wasserkraft dient und im Sommer eine willkommene Abkühlung für unzählige wasserbegeisterte Menschen (zu denen ich nicht gehöre).Nun ging es zum höchsten Punkt der gesamten Tour; nach etwa 75km war das Äulemer Kreuz auf 1150m erreicht.Von hier aus ging es erst einmal nur noch mehr oder weniger bergab, jedenfalls waren zunächst einmal keine Steigungen mehr zu erwarten. Nach zehn Kilometern Abfahrt (ok, ich mußte schon ein bißchen in die Pedale treten, nur rollen lassen war nicht drin) erreichte ich St. Blasien mit dem bekannten Dom. Man ist durchaus erstaunt, ein solch imposantes Bauwerk hier mitten im Schwarzwald zu Gesicht zu bekommen. Leider versperrte mir ein LKW den freien Blick auf den Dom.Im Schatten des Doms (naja, nicht wirklich im Schatten, dafür saß ich zu weit entfernt) machte ich eine kurze Mittagspause. Lange hielt ich es in der Sonne jedoch nicht aus, da war es auf dem Fahrrad mit etwas kühlendem Fahrtwind doch deutlich angenehmer. Außerdem hatte ich mich schon den ganzen Tag auf den nun folgenden Streckenabschnitt gefreut: die Abfahrt durch das wirklich außerordentlich schöne Albtal. Ich war im Frühsommer auf einer Tour das Albtal in der anderen Richtung schon einmal gefahren, und hatte es als sehr beeindruckend in Erinnerung.Leider war auch diese Abfahrt viel zu schnell vorbei, und es ging über die Alb hinweg in Richtung Görwihl wieder bergauf. Mittlerweile war es richtig heiß geworden, und auch die zurückgelegten 100 Kilometer zeigten so langsam ihre Wirkung. Dennoch galt es die letzten rund 70 Kilometer noch über die Bühne zu bringen. Zwischen Görwihl und Rickenbach folgte ein ekliges Auf und Ab, immer zwischen 700 und 800m. Immer wenn es ein bißchen bergab ging, hoffte ich auf eine längere Abfahrt, aber nein, nach jeder Linkskurve folgte der nächste Gegenanstieg. Schließlich waren Rickenbach und die ersehnte lange Abfahrt nach Wehr erreicht.Wenn ich allerdings gewußt hätte, wieviel wärmer es dort unten ist, wäre ich gern noch ein bißchen länger auf 800m Höhe geblieben, zumal es mit dem Auf und Ab nicht besser wurde. Über Schopfheim und Maulburg ging es nach Grenzach-Wyhlen. Die letzten 15 Kilometer nach Basel absolvierte ich dann im Stile eines Einzelzeitfahrens, um noch ein bißchen Zeit zu haben, mich mit einem Freund, der in Basel am Friedrich-Miescher-Institut (FMI) arbeitet, zu treffen. Nach 168 Kilometern und 1840 Höhenmetern war Basel erreicht, und ich genoß eine schöne kalte Cola auf der Dachterasse des FMIs (ich muß ganz schön albern ausgesehen haben, als ich in meinen Radklamotten durch die Labortrakte gelaufen bin).
Nach 323 Kilometern, 4000 Höhenmetern und 13,5 Stunden im Sattel setzte ich mich in den Zug Richtung Freiburg und trat die (in meinen Augen wohlverdiente) Heimreise an.

Comments:
Hallo Marco, habe deinen neuen Bericht nun gründlich gelesen. Gefällt mir sehr gut. Habe den Schwarzwald und dich direkt vor Augen gehabt.
Liebe Grüße Mudder
 
Glückwunsch zur schönen Tour und einem gelungenen Bericht. Obwohl ich jetzt auch schon einige Jahre in Freiburg lebe und inzwischen auch wieder Rennrad fahre, gelingt es Dir in Deinem Bericht zu verdeutlichen, wie schön und vielfältig die Umgebung ist. Wie heißt es so passend: In Freiburg zu wohnen bedeutet da zu leben wo andere Urlaub machen!
 
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