22 April 2006

 

Logenplatz

So, das war er also: mein persönlicher Saisonauftakt. Platz 18 und ein richtig gutes Gefühl dabei.
Aber der Reihe nach: um 12 Uhr MESZ ging es in Freiburg los. Dank Sponsorschaft von Baden-Auto stand uns ein richtig großer Bus zur Verfügung, in den tatsächlich acht Menschen inkl. Gepäck und ihrer Rennräder hinpaßten. Nach einer überaus streßfreien Fahrt kamen wir gegen 14 Uhr in Lyss bei Bern an. Dank schweizer Gründlichkeit in Sachen Beschilderung stellte es auch kein größeres Problem dar, den Start/Ziel-Bereich zu finden. Zur Startnummernausgabe mußte man zwar ein Stückchen laufen, ansonsten war alles vorbildlich organisiert. Um 16.15 Uhr sollte der Start zum sogenannten "Super-Race" erfolgen, einem Jedermannrennen über 56 km, ausgetragen auf einer 28 km langen Runde mit einer Steigung von 1km Länge und 8% Steigung die den schönen Namen "Hungerberg" trägt. Kurz vor 16.00 Uhr wurde die Startaufstellung geöffnet und 270 Teilnehmer stellen sich schweizerisch gesittet an den Start. Leider standen meine Kollegn und ich nur ca. an hunderster Position; das verhieß harte Arbeit auf den ersten Kilometern, um nach vorne zu kommen. Immerhin wollten wir möglichst mit mindesten drei Fahrern in der ersten Gruppe im Ziel ankommen, um in der Mannschaftswertung gut abzuschneiden. Schließlich hätten im Vorjahr drei Fahrer in der ersten Gruppe gereicht, um die Mannschaftswertung zu gewinnen.
Punkt 16.15 Uhr erfolgt der Startschuß; zum Glück sind die ersten 3 km neutralisiert, obwohl man davon - wie üblich - weiter hinten im Feld nicht besonders viel mitbekommen hat. Es ist einfach verdammt eng, wenn fast 300 Leute Radrennen fahren wollen. So gut es geht, versuche ich mich am linken Rand nach vorne zu mogeln, ohne allzu viele Körner gleich in der Anfangsphase zu lassen. Als dann plötzlich die Straße breiter wird und das Tempo des Feldes ziemlich stark abfällt (dank des ersten kleineren Hügels), nutze ich die Gelegenheit und fahre nach vorne, so ungefähr an die 10 Position des Feldes. Hier fühle ich mich schon deutlich wohler. Hier bin ich von Leuten umgeben, die durchaus etwas Erfahrung mitbringen, wie man sich in einem großen Feld verhält. Dann geht es über meist ziemlich breite Straßen in Richtung der ersten Bergwertung. Das Tempo im Feld variiert zwischen fast 50 km/h und nur etwas über 30 km/h, so daß man auch immer wieder mal die Beine etwas hochnehmen kann. Vorne sind mitterweile ein paar Fahrer dem Feld enteilt, was aber im Feld nicht zu größerer Unruhe führt. Ich versuche mich weiterhin unter den ersten 30 Fahrern des Feldes aufzuhalten, in erster Linie mit dem Ziel, der Sturzgefahr zu entgehen. Kurz bevor es das erste mal zur Bergwertung geht, entdecke ich ein paar meiner Teamkollegen, offensichtlich alle mehr oder weniger gut dabei. In den ersten Berg fahre ich an ca. 20. Position hinein, nach der Hälfte strecke ich zm ersten Mal die Nase in den Wind, und plötzlich kommt ER an mir vorbeigefahren, Fabian Cancellara, diesjähriger Paris-Roubaix Gewinner und Star dieses Feldes. Natürlich klemme ich mich an sein Hinterrad, diesen Logenplatz laß ich mir doch nicht entgehen und gebe ihn bis zur Bergwertung auch nicht mehr wieder her und fahre als Zweiter des Feldes über die Bergwertung. Was folgt ist eine lange Abfahrt, durchsetzt mit kurzen fiesen Gegensteigungen. Danach geht es wieder falch zurück in Richtung Ziel; an der 1 km Marke hab ich Herbert Watterott im Ohr ("der rote Teufelslappen"), kurz danach geht es zweimal ziemlich scharf nach rechts, bevor wir zum ersten Mal die 500 m lange Zielgerade passieren. Rund 42 min hatten wir für die ersten 28km benötigt. "Und jetzt die ganze Hatz noch mal", geht es mir durch den Kopf. Mittlerweile fordert auch das schwül-warme Wetter seinen Tribut, meine Trinkflasche ist nach nur einer Runde schon fast leer, klassische Fehleinschätzung meinerseits, ich war mir sicher gewesen, daß eine Flasche reichen würde für nicht einmal 1h 30min Radrennen. Mittlerweile taucht von meinen Kollegen nur noch Sebastian von Zeit zu Zeit vor, hinter oder neben mir auf. Das sieht nicht gut aus für die Teamwertung. Die Ausreißer, die bei der ersten Zielpassage noch mit 50s Vorsprung dem vorbeijagenden Feld angesagt wurden, werden an der ersten kürzeren Steigung gestellt. Danach geht es weiter über die nun zum Glück bekannte Strecke, immer wieder rollen kleine Gruppen von 2-6 Fahrern ein paar Meter vom Feld weg. Einmal sind auch Sebastian und ich mit dabei, aber Sinn machen solche Aktionen eigentlich nicht. Kurz, bevor es wieder zur Bergwertung geht, nutze ich den Windschatten eines nach vorne eilenden Fahrers, um mich ebenfalls wieder an der Spitze des Feldes einzusortieren. Dieses Mal nehme ich den Anstieg in ca. 10. Position in Angriff, aus dem Augenwinkel sehe ich wieder Fabian Cancellara, dies mal nicht direkt neben mir, sondern auf der anderen Straßenseite, als plötzlich Sebastian angeschossen kommt wie anno 2003 Manuel Beltran am Fuße von Alpe d'Huez. Ich denke nur, spinnt der und fahre mit. Urplötzlich sind wir alleine an der Spitze des Feldes, nur noch Fabian Cancellara und zwei, drei weitere Fahrer mit dabei. Dieses Mal lasse ich es mir nicht nehmen mehr oder weniger neben dem Paris-Roubaix Sieger über die Bergwertung zu fahren. Leider nimmt er unmittelbar nachdem Berg die Beine hoch, so daß keine Möglichkeit besteht, mit den verbleibenden drei oder vier Fahrern zu zwei leicht abgesetzten Fahrern aufzuschließen und eventuell dem Feld zu entkommen. Wir probieren es zwar, aber schon wenigen hundert Meter später sehe ich das Feld beim Blick nach hinten nur ca. 50 m hinter uns. Zu allem Überfluß bekomme ich auch noch leichte Krämpfe, mit denen ich auf den letzten 10 km zu kämpfen haben sollte. Die letzten 10 km vergehen wie im Flug, bald ist wieder die "flamme rouge" erreicht, in der letzten Rechtskurve halte ich mich innen, um nicht von eventuell stürzenden Fahrern "abgeräumt" zu werden. Danach ist der Sprint eröffnet. Ein Massensprint, wie man ihn sonst nur im Fernsehen zu sehen bekommen. Obwohl ich kein Sprinter bin und von Waden- und Oberschenkelkrämpfen geplagt werde, schaffe ich es noch auf ca. 55 km/h zu bescheunigen und komme noch an Sebastian vorbei, der vor mir in die Zielgerade eingebogen war.
Am Ende stehen ein 18. Platz, ein Schnitt von 40,6 km/h und eine Menge schöner Erlebnisse zu Buche. Gerne wäre ich unter die ersten zehn gekommen, aber ich möchte jetzt nicht behaupten, daß ich das ohne die Krämpfe geschafft hätte. Vielleicht hätte ich auch nicht jedesmal in vorderster Front die Bergwertung erklimmen sollen, aber für den Logenplatz, den ich dabei hatte, hat sich's auf jeden Fall gelohnt. Unser dritter Mann für die Teamwertung kommt leider in der dritten Gruppe ins Ziel, so daß in der Teamwertung letztendlich ein 7. Platz (bei 33 teilnehmenden Teams) für uns herausspringt.
Dafür haben wir bei der Tombolateamwertung mit einer Schachtel Pralinen, einem gigantischen Hefezopf und einem Reisegutschein im Wert von 1000 Franken eindeutig den ersten Platz belegt ;-)

Ergebnisliste "Super Race"

Berner Rundfahrt

Comments:
Hallo Radler

Ein guter Bericht über die Berner Rundfahrt den Du da geschrieben hast.

Schau Dir mal die neue Strecke an. Distanz ist neu auf 101 Km angestiegen.

Gruss eines damaliger Mitstreiters :-)
 
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