13 September 2009

 

Das geht sich aus!

Nach einjähriger Abwesenheit stehe ich wieder in Sölden an der BP-Tankstelle am Start des Ötztaler Radmarathons und friere erst mal. Das durchwachsene Wetter vom Vortag ist zum Glück einer klaren Nacht gewichen, was wir aber mit Temperaturen im tiefen einstelligen Bereich bezahlen müssen. Ein hohes Ziel hatte ich mir für dieses Jahr gesetzt: dieser verdammte Pin mit der Aufschrift „unter 8 Stunden“ mußte dieses Jahr her. Mit Flo, Matthias und Freundin Steffi, stehe ich im ersten Startblock und freue mich, daß ich auch sofort einige bekannte Gesichter wie Harry und Micha sehe. Das gegenseitige Glückwünschen und Austauschen der letzten Rennergebnisse verkürzt die Wartezeit bis zum Start dann doch ein wenig. Noch mal schnell der drückenden Blase nachgegeben und wieder zurück in die Startaufstellung. Wir bekommen noch die wichtigsten Informationen durchgesagt, darunter so prickelnde Informationen wie jene, daß es am Kühtai gerade nur zwei Grad hat. Der Streckensprecher erzählt noch mal, daß es 238 km mit 5500 Hm seien – lustigerweise spricht der italienischsprachige Sprecher nur von 229 km. Das wird wohl der Grund sein, weshalb die Italiener so schnell sind...

Um 6.45 Uhr fällt dann endlich der Startschuß, und das Rennen auf das ich mich das ganze Jahr vorbereitet und gefreut habe, geht los. Nur wenige Meter hinter der Startlinie gleich die erste Schrecksekunde: da liegen schon die ersten auf dem Asphalt, und ich fast mittendrin, da ich gerade damit beschäftigt war meinen Tacho zum laufen zu bringen, was mit den langen Handschuhen gar nicht so einfach ist. Eiskalt ist mir, ich kann kaum das Rad geradeaus halten, weil ich so zittere, und meine Hoffnung, daß es zügig losgehen würde wird auch nicht erfüllt – das Führungsfahrzeug fährt, wie ich finde, extrem langsam, was die Sache eher gefährlicher als sicherer macht. Ich fühle mich alles andere als sicher auf dem Rad, mir ist kalt, und ich hoffe nur, daß ich die Abfahrt bis Ötz heil überstehe. Endlich zieht auch das Führungsfahrzeug an, und das Tempo wird höher. Wärmer wird mir dadurch leider trotzdem nicht. Nach etwa 40 Minuten, rund fünf Minuten langsamer als ich gehofft hatte, hat die Zitterei endlich ein Ende, und Ötz ist erreicht.

An schätzungsweise hundertster Position biege ich um den Kreisverkehr und versuche sofort mich weiter nach vorne zu orientieren. In meinem Übermut fahre ich durch eine Lücke, die eigentlich nicht wirklich groß genug ist, und räume dabei fast einen Italiener ab, der mir alles an Flüchen hinterruft, was ihm so einfällt - „Testa di cazzo!“ ist da noch das freundlichste, was ich zu hören bekomme. Tut mir ja leid, war auch mein Fehler, aber jetzt suche ich schnellstmöglich das Weite. Auf den ersten beiden steilen Kilometern sortiert sich so langsam das Feld, und ich lasse die Schnellsten zunächst ziehen. Als es nach etwa zwei Kilometern flacher wird, sehe ich die Spitzengruppe vor mir langsamer werden und schließe mit einem kleinen Zwischenspurt die Lücke. Doch ich habe kaum aufgeschlossen, da muß ich auch schon einsehen, daß diese Gruppe genau jene 0,5 bis 1 km/h schneller fährt, als es für mich gut ist. Ich lasse wieder abreißen und befinde mich zunächst im „Niemandsland“ zwischen erster und zweiter Gruppe. Langsam schließen andere Fahrer zu mir auf, während andere auch einsehen müssen, daß die Spitzengruppe für sie zu schnell fährt. Insgeheim hatte ich ja schon gehofft mit den Besten über das Kühtai zu kommen, aber dieser Plan ist nun schon nach drei Kilometern Makulatur. Jetzt gilt es den eigenen Tritt zu finden, was an diesem umrhythmischen Berg und bei der Kälte nicht gerade leicht fällt. Immerhin verwöhnt uns die Natur mit einer herrlichen Morgenstimmung; der abziehende Nebel und die klare, kalte Luft verleihen diesen ersten Steigungskilometern einen ganz besonderen Zauber.


Nach Ochsengarten geht es im Steilstück durch eine Baustelle, die allerdings – zumindest für die vorderen Gruppen – kein Problem darstellt. Mittlerweile hat sich eine relativ große Gruppe zusammengefunden und gemeinsam streben wir dem ersten Paß des Tages entgegen. Kurz unterhalb der Paßhöhe stehen meine Eltern. Schnell im Vorbeifahren den vorbereiteten Verpflegungsbeutel gegriffen, die beiden Flaschen verstaut und weiter geht’s.



Nach 1 Stunde und 41 Minuten ist die Kühtai-Paßhöhe erreicht, das heißt etwa 61 Minuten Fahrzeit für das Kühtai – das ist nach meinem Geschmack. Schnell ein Gel reingedrückt, mit einem großen Schluck nachgespült, Weste wieder zugemacht und die langen Handschuhe wieder angezogen. Die Abfahrt verläuft unspektakulär und wie immer sehr schnell, nach etwas mehr als einer halben Stunde ist Innsbruck erreicht. Jetzt gilt es den Brenner zu bewältigen.

Nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2007, als ich krampfhaft versucht hatte eine Gruppe zum laufen zu bringen und dabei viel Kraft gelassen hatte, ohne daß meinen Bemühungen Erfolg beschieden war, ist mein Plan in diesem Jahr mich konsequent zu verstecken. Keinen Meter will ich im Wind fahren, stattdessen gilt die Devise Kräfte sparen und verpflegen. Anscheinend haben noch ein paar andere denselben Plan, denn das Tempo ist alles andere als schnell. Aber gut, dann kann ich in aller Ruhe essen und mich auch ein wenig mit Harry und Peter unterhalten, beides Leidensgenossen von unserer Trondheim-Oslo-Unterwasserfahrt. Insgesamt verläuft die Brennerauffahrt ohne große Ereignisse, fast schon langweilig. Einzig die Frage, wann und wo ich am besten zum pinkeln anhalte, beschäftigt mich. Als Harry mit demselben Hintergedanken am Steilstück kurz vor der Passhöhe aus unserer Gruppe rausfährt, schließe ich mich ihm an und stelle mich an den Straßenrand. Leider dauert das mal wieder viel zu lang mit dem Pinkeln, und bis ich fertig bin, ist die gesamte Gruppe schon an mir vorbeigerauscht. Kurz vor der alten Mautstelle hab ich das Ende der Gruppe aber wieder eingeholt. Jetzt muß nur noch mit der Verpflegungsübergabe alles glattgehen. Da stehen auch schon Rebecca und Andrea. Ich bremse ein wenig ab, entledige mich meiner langen Handschuhe und greife im Vorbeifahren meinen Beutel mit Trinkflaschen und weiteren Gels. Bis ich jedoch alles in meinen Trikottaschen verstaut habe, ist die Gruppe auch schon wieder enteilt, und ich ganz allein auf weiter Flur. Mist. Mit einem Kraftakt versuche ich der Gruppe wieder näherzukommen, aber in der eher flachen und einfachen Abfahrt Richtung Sterzing habe ich keine Chance noch mal näherzukommen. Fluchend trete ich in die Pedale. So eine Scheiße. Das kostet Zeit und Kraft. Von hinten nähert sich ein weiterer Fahrer, der im gleichen Dilemma steckt wie ich. Wenigstens sind wir jetzt zu zweit. Gemeinsam schimpfen wir über unsere schlecht getimeten Pinkelstopps und versuchen so gut wie möglich Gas zu geben. Das kostet mich Zeit, unnötige Körner und vor allem auch die Chance mir am Jaufen ein gutes Hinterrad zu suchen. Auf dem kurzen Flachstück zwischen Sterzing und Beginn des Jaufenpasses schließen weitere Fahrer von hinten zu uns auf.

Der Jaufenpaß ist erreicht, jetzt gilt's. Ein Blick auf die Uhr und ich beginne zu rechnen: etwas mehr als vier Stunden bin ich jetzt unterwegs, für den Jaufen gebe ich mir eine Stunde, für die Abfahrt nach St. Leonhard 25 Minuten, für die Auffahrt zum Timmelsjoch plane ich mal lieber zwei Stunden ein und für die Abfahrt nach Sölden sollten so 35 Minuten realistisch sein. Ok, auf 8-Stunden-Kurs bin ich wohl, aber ich will ja mehr. Also Weste ausziehen, Trikot aufmachen und auf geht’s. Auf den Jaufen freue ich mich, andererseits hatte ich bei all meinen bisherigen Teilnahmen am Jaufen auf den letzten Kilometern immer eine Krise, insbesondere 2007 hätte ich auf dem Jaufengipfel das Rad am liebsten in den Straßengraben geschmissen. Aber daran verschwende ich jetzt keinen Gedanken. Es rollt gut, und daß ich am Brenner meine Gruppe verloren hatte, hat jetzt den kleinen psychologischen Vorteil, daß ich jetzt immer wieder Fahrer ein- und überhole. Andererseits finde ich nur wenig Unterstützung in meinem Bestreben ein wenig von der verlorenen Zeit wieder gutzumachen. Aber mein Tritt ist gut, und noch habe ich nicht das Gefühl, daß mir ein Einbruch drohen könnte. Weiter geht die Fahrt. Ich versuche die verbleibenden Kilometer bis zum Gipfel abzuschätzen und auszurechnen, wie schnell ich fahren muß, um nach fünf Stunden Fahrzeit oben zu sein – da ich die restlichen Kilometer aber nicht genau kenne, ein eher fehlerträchtiges Unterfangen, aber immerhin eine Beschäftigung. Mittlerweile hat sich immerhin der eine oder andere Fahrer mir angeschlossen. Ich versuche weiterhin mein Tempo so konstant wie möglich zu halten, und lasse auch mal Fahrer ziehen, wenn mir das Tempo zu hoch erscheint. Endlich ist die Baumgrenze erreicht und der Blick auf die letzten Kehren bis zur Paßhöhe wird frei gegeben. Genau hier hatte ich bei allen meinen bisherigen Teilnahmen meine große Krise, aber dieses Jahr habe ich mir die Kräfte offensichtlich besser eingeteilt. Der Tritt ist weiterhin rund, und so stellen dieses Mal die letzten Kehren kein unüberwindbar scheinendes Hindernis für mich dar. Nach 5:02 h erreiche ich die Paßhöhe des Jaufenpaß. Brauche ich etwas zu trinken? Ein kurzer Blick auf meine Trinkflaschen: eine ist noch ganz voll – das sollte bis zur Labe in Schönau reichen. Also die Weste übergezogen und dann meine Lieblingsabfahrt runter. Im Kopf erneuere ich meine Rechnung: Acht Stunden minus 35 Minuten für die Abfahrt vom Timmelsjoch minus zwei Stunden für die Timmelsjochauffahrt ergibt 5:25 h. 23 Minuten für die Abfahrt. Das sollte doch zu schaffen sein. Etwas vorsichtiger als ich das von mir in Erinnerung hatte, aber dennoch zügig steuere ich durch die vielen Kehren. Immer wieder ein kurzer Blick auf die Uhr. Sollte passen. Auf den letzten Abfahrtskilometern taucht vor mir eine fünf oder sechs Fahrer große Gruppe auf. Das paßt ja perfekt, dann bin ich auf den ersten, flachen Kilometern des Timmelsjochs nicht allein. Da muß ich rankommen. Ich gebe noch mal alles in der Abfahrt und just im Kreisverkehr in St. Leonhard habe ich den Anschluß geschafft. Nochmal ein kurzer Blick auf die Uhr: exakt 5:25 h. Perfekt.

Jetzt geht’s richtig los. Ab hier wird der Ötzi zum Ötzi, am Timmelsjoch zeigt sich, wer sich die Kräfte gut eingeteilt hat, und wer anfangs gnadenlos überzogen hat. Auch ich habe hier schon die unerschiedlichsten Erlebnisse gehabt. An die Timmelsjochauffahrt meines ersten Ötzis erinnere ich mich nur noch schemenhaft, bei meiner zweiten Teilnahme siegte der Kopf über den Körper, fuhr ich mit von Krämpfen geplagten Beinen, und bei meiner bisher letzten Teilnahme plagte mich am Fuß des Anstiegs die nackte Angst den Berg nicht zu schaffen. Und heute? Verhaltene Zuversicht würde ich es nennen. Klar, ich spüre meine Beine und der Anstieg ist immer lang und streckenweise sehr steil, aber immerhin geht es um mein großes Ziel hier und heute die Acht-Stunden-Marke zu knacken, und dafür muß ich das Timmelsjoch laut meiner Rechnung in weniger als zwei Stunden bewältigen. Die magischen Zahlen in meinem Kopf lauten 7:25 h. Das war die Marke, die es auf der Paßhöhe zu erreichen galt. Also los, nicht lange fackeln. Ich fahre in der Gruppe, in der ich auch Peter wiedertreffe, mit durch die Führungen, das ist mir jetzt egal, ob das jeder macht oder ob da welche nur draufliegen. An den ersten etwas stärker steigenden Stücken übernehme ich sogar alleine die Führung. Ok, das läuft ja mal recht gut. Noch ist der Anstieg von Flachpassagen durchsetzt, in denen die Gruppe von Nutzen ist, und ich mich immer wieder kurz im Windschatten der anderen erholen kann. Am Straßenrand taucht eine Gruppe von Italienern auf, die uns frenetisch anfeuern und uns „acqua per tutti“ anbieten und somit für etwas Abkühlung bei mittlerweile doch recht warmen Temperaturen sorgen. Bisher läuft es bei mir wunderbar. Meine Sorge gilt jedoch den steilen Kilometern ab Moos. Würde sich meine Führungsarbeit dort rächen? Egal, zwei Stunden für das Timmelsjoch sind zwar machbar, aber üppig viel Puffer hab ich nicht. Ich muß jetzt fahren. In den Kehren bei Moos zerfällt unsere Gruppe schließlich. Mit zwei weiteren Fahrern fahre ich aus der Gruppe raus. Schnell habe ich meinen Tritt gefunden. Ich erinnere mich, wie ich vor zwei Jahren mit 8 bis 9 km/h hier hinaufgeschlichen war und das Gefühl hatte zu stehen, heute bleibt Geschwindigkeit durchweg zweistellig, pendelt meist zwischen 11 und 12 km/h. Dafür überhole ich einen Fahrer nach dem anderen, denen es so wie mir vor zwei Jahren zu ergehen scheint. Meine zwei Begleiter mußte ich zwar ziehen lassen, aber dennoch überhole ich Fahrer um Fahrer, die mir teilweise aufmunternde Worte zurufen. Nichtsdestotrotz sehne ich das Flachstück mit der Labe herbei, andererseits will ich auch schnell an Höhe gewinnen, weil es weiter oben kühler ist. Hier unten ist es mir in der Zwischenzeit doch einen Tick zu warm. Zum Glück gibt es am Timmelsjoch regelmäßige Kilometerangaben, was mir meine Rechenspiele doch erheblich erleichtert. Auf Basis von verbleibenden Kilometern und Höhenmetern, sowie abgeschätzter Steigrate und bisheriger Durchschnittsgeschwindigkeit versuche ich möglichst präzise hochzurechnen, ob die magischen 7:25 h erreichbar sind oder nicht. Das Ergebnis ist mehr oder weniger immer dasselbe: könnte klappen, aber genau vorhersagen kann ich es nicht. Immerhin hab ich aber noch eine zweite Beschäftigung neben dem Treten. Beim Erreichen des Flachstücks treffe ich auf einen Deutschen, der mir auch wieder ein paar mutmachende Worte zuruft, um sich dann in meinen Windschatten zu hängen. So froh ich über das Flachstück bin, es bricht meinen Rhythmus. Ich könnte hier sicherlich auch etwas schneller fahren, aber ich bin auch froh mir eine kleine Verschnaufpause gönnen zu können und nutze diese Phase um mich noch mal zu verpflegen. An der Labe greife ich mir im Vorbeifahren eine Flasche Wasser. Das sollte bis ins Ziel reichen. Meine Getränketaktik ist bisher perfekt aufgegangen. Auch die ausgelassene Jaufenlabe hat sich nicht gerächt. Von hinten hat Peter mit einem Begleiter wieder aufgeschlossen. Zu fünft nehmen wir die letzten zehn Kilometer bis zum Gipfel in Angriff. Beim Blick nach oben geht mir Erik Zabels Worte durch den Kopf: „Schaut euch die Scheiße an. Wär ick doch bloß Surfer jeworden.“ Aber es hilft ja alles nichts. Jetzt muß noch mal richtig draufgetreten werden. Und das tue ich dann auch. Ohne daß ich Gefühl habe besonders schnell zu fahren, fällt einer nach dem anderen aus unserer Kleingruppe zurück. Jetzt bin ich allein. Nur noch der Berg und ich – und die magischen 7:25 h im Kopf.



Vom Straßenrand werde ich immer wieder angefeuert. Irgendwie läuft das heute. Der Tacho fällt auch an den steilsten Passagen nicht unter 11 km/h. Ich erreiche das „5 tornante“-Schild, von dem ich mich beim letzten Mal hatte täuschen lassen und dachte es seien nur noch fünf Kehren bis zum Tunnel. Dieses Mal weiß ich es besser. Ich erreiche die Getränkelabe und lasse mir meinen üblichen Becher Cola reichen, von dem ich die üblichen drei Alibi-Schlücke trinke. Es wird für einen kurzen Moment noch mal etwas flacher. Dieses Mal nutze ich diesen Abschnitt nicht, um mich zu erholen, sondern gebe Gas. Ok, wie weit wird es noch bis zum Tunnel sein? Drei Kilometer? Gut, ich fahre im Moment 11 bis 12 km/h, das heißt etwas mehr fünf Minuten pro Kilometer. Nehm ich mal sechs Minuten, dann hab ich noch ein bißchen Puffer. Wie schnell fahre ich auf den den letzten beiden flacheren Kilometern? 20 km/h? 20 km/h, also drei Minuten je Kilometer macht dann ab hier noch 24 Minuten bis zum Paß. Die sieben Stunden sind auf meiner Uhr noch nicht durch. So langsam glaube ich daran, daß ich es schaffen kann. Jetzt, letzter Kilometer vor dem Tunnel. Vor mir kämpft ein Fahrer in grauem Trikot. Der scheint ordentlich einen im Schuh zu haben. Aber auch meine Geschwindigkeit sinkt jetzt langsam doch in Richtung 10 km/h ab. Trotzdem komme ich dem Fahrer zentimeterweise näher. Schließlich kann ich auf seiner Startnummer den Namen lesen: Christian Ceralli. Das kann nicht sein. Der hat hier doch schon mal gewonnen. Genau, das war in meinem Premierenjahr 2005. Das muß ein anderer Christian Ceralli sein. Das sind doch nicht die zeitlichen Regionen, in denen ein ehemaliger Sieger unterwegs ist. Im Vorbeifahren werfe ich ihm einen kurzen Blick ins Gesicht: Tatsache, er ist es. Ich habe soeben einen Ex-Sieger überholt. Von diesem Gedanken abgelenkt vergesse ich für einen Moment sogar meine Rechnereien. Außerdem ist das Tunnelportal erreicht und damit das Schlimmste geschafft. Jetzt noch zwei flachere Kilometer. Ich nehme Fahrt auf und erreiche einen weiteren Fahrer, der über seine Rückenschmerzen klagt. Gemeinsam erreichen wir die Paßhöhe. Die Uhr zeigt 7:15 h Fahrzeit an. Das sollte doch passen. Schnell noch die Weste überziehen und dann stürzen wir uns zu zweit in die Abfahrt.


Jetzt noch die Gegensteigung und das Flachstück bei Obergurgl. Von hinten schließt Christian Ceralli wieder zu uns auf und läßt uns an der Gegensteigung auch gleich stehen. Auch die Gegensteigung ist heute mehr lästige Pflicht als echtes Hindernis. In einer der letzten steilen Kehren stehen meine Eltern und machen nochmals Photos. Ich rufe ihnen ein zuversichtliches „Das geht sich aus!“ zu.



Auf dem folgenden Flachstück bei Obergurgl befallen mich dann aber doch wieder Zweifel. Laut meiner Rechnung sollten es noch 17 km sein, und jetzt noch dieser Gegenwind, und zwei Fahrer, die beide eigentlich nur noch am Hinterrad des jeweils anderen fahren wollen. Hier bekomme ich dann doch noch mal Angst um meine sub 8 h-Zeit. Als dann endlich Zwieselstein erreicht ist, zerstreuen sich meine Ängste jedoch wieder – das Ziel ist doch näher als meine Rechnung es nahegelegt hat. Durch die letzten Kehren runter nach Sölden. Das 1000 m-Schild. Wie immer ist die Straße mit Zuschauern gesäumt. Meinen Begleiter aus der Abfahrt muß ich vor der letzten Kurve dann noch ziehen lassen, aber um die Platzierung geht es mir auch nicht. Die Zeit zählt und die ist deutlich unter acht Stunden. Nach 7:48 h habe ich meinen ganz persönlichen Sieg erzielt und rolle in entsprechender Pose ins Ziel. Ein Blick auf den Tacho verrät meinen Rechenfehler: statt der erwarteten 232 km stehen da nur 226 km. Ich hatte die Abfahrt sechs Kilometer länger gemacht und mir damit selbst noch mal einen gehörigen Schrecken eingejagt.



Im Ziel treffe ich Harry wieder – seine eine Minute Vorsprung vom Brenner hat er bis ins Ziel auf drei Minuten ausgebaut. Auch Flo ist im Ziel – in unfassbaren 7:23 h. Dabei hatte ich nach seinen Worten („Ich hab ja für sowas langes gar nicht trainiert und brech wahrscheinlich am dritten Berg ein.“) immer darauf gewartet, daß ich ihn am Timmelsjoch wieder einsammeln würde. Aber diesen Gefallen hat er mir nicht getan.

Nach ein paar Radlern („Lustig sammer, Puntigamer!“) gehe ich zurück in unser Appartement, dusche und ziehe mich um und komme dann genau rechtzeitig wieder zurück zum Ziel, um Steffi in Empfang zu nehmen. In unheimlich starken 9:39 h hat sie ihre Ötzi-Premiere auf Platz 25 bei den Frauen beendet. In ihrer AK hat es mit Platz 10 sogar noch für die Top10 gereicht. Platzierungen, von denen meinereiner beim Ötzi nur träumen kann.
Nach 10:21 h erreicht mit Matthias auch der letzte im Bunde das Ziel. Es war nicht sein Tag, aber dank eines bravourösen Kampfes hat auch er das Ziel erreicht.

Am Abend waren dann alle wieder guter Laune und es konnte gemeinschaftlich eine Riesenpizza vertilgt werden.


Abschließend noch mal der Dank an alle, die uns unterstützt haben: Uwe von der RIG für seine Bemühungen wegen eines Busses, Andrea und Rebecca für die Verpflegung am Brenner, meinen Eltern für Verpflegung am Kühtai und Photos, und zu guter Letzt noch an Jan, der mich mit seiner letztjährigen Zeit zu dieser Leistung angestachelt hat.

Grüße und Respekt für Eure Debutleistungen auch noch an Die.Radproleten.

P.S.: Sorry an alle bisherigen Leser. Da waren ja teilweise haarsträubende grammatikalische Fehler drin, die ich jetzt - hoffentlich alle - gefunden und korrigiert habe. Das passiert eben, wenn man sich nach mehreren Stunden des Berichttippens das Korrekturlesen meint sparen zu können *verschämtzubodenblick*

28 Juni 2009

 

Offene Rechnungen...

Les Trois Ballons – mit diesem Marathon hatte ich noch eine Rechnung offen. Nachdem ich vor zwei Jahren nach einer 70 km langen Solofahrt am Schlußanstieg reihenweise Positionen eingebüßt hatte und am Ende Platz 20 belegt hatte, sollte dieses Jahr alles besser werden. Hier gut zu fahren war eines meiner erklärten Saisonziele gewesen, und nach meinem überaus guten Abschneiden in Gerolstein schien mir auch eine gute Platzierung bei Trois Ballons in Reichweite. Dumm nur, daß die unmittelbare Vorbereitung unter keinem guten Stern stand. Es paarten sich Ärger bei der Arbeit mit schlechtem Wetter und Streß mit dem Material. Daraus resultierte ein nicht unerheblicher Verlust an Motivation sowie das Gefühl nicht mehr in der Form von Gerolstein zu sein.
Immerhin durfte ich wie vor zwei Jahren schon aus dem ersten Startblock starten, in dem ich dann gemeinsam mit Jan, Flo und Steffi, die sich das erste Mal überhaupt an eine Distanz von über 200 Kilometern heranwagte, kurz nach 7.00 Uhr stehe. Das Wetter verspricht überaus schön zu werden – immerhin, war es doch in den Tagen zuvor eher mäßig gewesen. Nach einem kurzen Plausch mit Harry (einer der norwegischen Leidensgenossen), fällt um 7.15 Uhr der Startschuß und in zunächst gemählichem Tempo geht es aus Champagney hinaus in Richtung des ersten Anstiegs, dem Ballon de Servance. Ich versuche mit sofort nach vorne zu orientieren, da ich von meiner letzten Teilnahme her noch wußte, daß die Straße sukkzessive immer schmaler werden würde, und es später im Anstieg noch mehr Kraft kosten würde nach vorne zu fahren. Dies gelingt mir ach gut; bald befinde ich mich gemeinsam mit Flo unter den ersten Zehn. So geht es dann auch hinein in den ersten Anstieg, der zunächst nur leicht ansteigt. Vorbei geht es am Abzweig zum späteren Schlußanstieg. Langsam wird die Straße steiler und schmaler und das Tempo höher. Ich halte mich weiterhin ganz vorne im Feld, will auf keinen Fall den Anschluß verpassen – schließlich hatte sich vor zwei Jahren die entscheidende erste Gruppe bereits hier abgesetzt. Dieses Mal will ich auf Risiko gehen und mich unbedingt in dieser ersten Gruppe halten. Vorne macht ein Fahrer in grauem Trikot mit einem roten Rad das Tempo. Und dieses Tempo ist schnell. Kurzer Blick auf den Puls: 186. Schnell wieder wegschauen und weiterfahren. Die Beine fühlen sich merkwürdig an: irgendwie dick, aber sie funktionieren (noch) richtig gut. Also weiter dranbleiben. Oben auf der Paßhöhe sind wir vielleicht noch 15 Fahrer in der Gruppe. Am Hinterrad von Flo rolle ich als Sechster oder Siebter über den ersten Berg. Ok, das wäre schon mal geschafft. Jetzt folgt die ziemlich unangenehme Abfahrt: schlechte Straße, viel Split, unübersichtliche, teilweise nach außen hängende Kurven. Kurzum eine Abfahrt, bei der man froh ist, wenn sie vorüber ist. Ich bin zunächst mal zufrieden, daß mein Plan n der ersten Gruppe über den Ballon de Servance zu kommen aufgegangen ist. In der folgenden Ebene schläft das Tempo allerdings relativ bald ein; ich nutze das, um mich zu verpflegen. Durch das extrem gemächliche Tempo (und vielleicht auch noch einer zusätzlichen roten Ampel, die uns kurzzeitig ausbremst) schließt eine ziemlich große Gruppe von hinten wieder auf, so daß die Gruppe jetzt aus sicherlich 50 Fahrern besteht.
Die nächsten beiden „Cols“, der Col du Ménil (der kaum den Namen verdient) und auch der Col d'Oderen, werden überfahren, ohne daß viel passiert. Zeit um Schwätzchen zu halten. Jetzt erkenne ich auch den Fahrer mit grauem Trikot und rotem Rad: Jens Volkmann, der Vorjahressieger. Er habe nur als Erster in die Abfahrt gehen wollen, so seine lapidare Erklärung, als ich scherzhaft meine, jetzt sei mir klar, wieso das Tempo am Ballon de Servance so hoch gewesen ist.
Für den nächsten Berg, den Col de Bramont, rechne ich mit einer Tempoverschärfung und Attacken. Ich versuche weiterhin mich vorne im Feld aufzuhalten, auch wenn die Beine sich komisch dick anfühlen. Es ist ein merkwürdiges Gefühl: einerseits funktionieren die Beine gut, andererseits dieses seltsame dicke Gefühl. Egal. Weiterfahren. Am Bramont wird wie erwartet das Tempo hochgehalten; Jens Volkmann hat zwei Teamkollegen, die diese Arbeit für ihn erledigen. Und kurz vor dem Gipfel, der allerdings nur von einer sehr kurzen Abfahrt gefolgt wird, bevor es den steilen Anstieg auf die Route des Crêtes hinaufgeht, die Attacke von Jens Volkmann – ich steige mit einigen anderen, darunter auch mein Teamkollege Flo, hinterher. Über die Kuppe kann ich noch dranbleiben, bei der zweiten Attacke muß ich einsehen, daß ich bis hierhin weit über meine Verhältnisse gelebt habe. Zunächst geht die Lücke nur zögerlich auf, aber dann verliere ich relativ bald den Sichtkontakt, auch zu meinem Teamkollegen. Fahrer um Fahrer überholt mich. Über die nun folgenden 20 Kilometer bis zum Grand Ballon decke ich geflissentlich den Mantel des Schweigens.
Am Grand Ballon bin ich ganz allein. Ich nehme mir die Zeit anzuhalten, mich kurz mit meinen Eltern zu unterhalten und eine neue Trinkflasche anzunehmen. An dieser Stelle ist das Rennen für mich gelaufen. Die Hand ist schon am Klettband des Transponders, um ihn meiner Mutter in die Hand zu drücken, was ich dann aber doch bleiben lasse. Langsam und unmotiviert rolle ich weiter. Und wen sehe ich dann am Straßenrand stehen am Kofferraume eines Autos, Helm abgelegt, Fahrrad an einen Pfosten angelehnt? Jens Volkmann. Na danke, erst mich aus den Schuhen fahren und dann aussteigen. Auf meinen Vorschlag die letzten 100 Kilometer als besseres Training zu Ende zu fahren, geht er nicht ein. Ich halte noch mal kurz zum Pinkeln an. Von hinten kommt immer noch niemand. Während ich wie ein Anfänger auf einer katastrophalen Linie die Abfahrt vom Grand Ballon hinunterfahre, überlege ich, ob nicht vielleicht sogar auf Steffi warten soll, oder wenigstens auf Jan, den ich in der Spitzengruppe auch nicht mehr gesehen hatte und daher hinter mir wähne.
Als in der Abfahrt so langsam meine Lebensgeister wieder erwachen, sehe ich plötzlich Flo in einer Serpentine stehen, der just in dem Moment als ich vorbeikomme von seinem Vater wieder in die Abfahrt geschoben wird. Was ist denn da passiert? Ich verstehe in der Abfahrt kaum, was mir Flo versucht zuzurufen, aber irgendwie hat er ein Problem mit seinem Sattel gehabt. Soviel verstehe ich. Ich gebe ihm zu verstehen, daß für mich das Rennen gelaufen ist, ich aber für ihn fahren würde, wenn er das möchte. Zügig fahren wir bergab. Schnell haben wir zwei Fahrer eingeholt. Es folgt der Anstieg zum Col du Hundsruck. Hier fragt mich Flo, ob ich nicht zufällig einen 4er-Inbusschlüssel hätte, er müsse seinen Sattel festschrauben. Ich gebe ihm während des Fahrens mein Satteltäschchen, in dem sich mein kleines Multitool befindet. Ich biete ihm an auf ihn zu warten, und rechne damit, daß er anhalten würde, um seinen Sattel wieder festzuschrauben. Immer wieder schaue ich nach hinten, um ihm nicht zu weit wegzufahren, und wundere mich, daß er nicht anhält. Schließlich sehe ich, wie er unter der Fahrt die Schrauben seiner Sattelstütze festzieht. Wenn ich nicht so kaputt wäre, würde ich mir wohl ein Schmunzeln ob dieser Aktion nicht verkneifen können. Gemeinsam erklimmen wir den Col du Hundsruck. Da es mir wieder etwas besser geht, mache ich hier den Großteil der Führungsarbeit. „4 Minuten Rückstand auf die nächste große Gruppe!“, ruft uns mein Vater auf der Paßhöhe zu. Wir stürzen uns in die Abfahrt.
Auf dem folgenden Flachstück bis zum Ballon d'Alsace legt vor allem Flo ein geradezu höllisches Tempo vor: wenn er im Wind fährt, pendelt sich die Geschwindigkeit bei 40 bis 41 km/h ein, ich selbst kann meine Ablösungen mit vielleicht 38 km/h fahren. Dennoch sind wir zu zweit dermaßen zügig unterwegs, daß wir bis zum Fuß des Ballon d'Alsace nur noch zweieinhalb Minuten Rückstand auf die Gruppe vor uns haben. Die ersten zurückfallenden Fahrer haben wir auch eingeholt. Gemeinsam, uns regelmäßig abwechselnd nehmen wir den fast 10 Kilometer langen Anstieg in Angriff. Während wir im unteren Teil des Anstiegs durch die Landschaft wenigstens noch halbwegs für unsere Qualen, mittlerweile ist es auch ziemlich warm geworden, entschädigt werden, ist die zweite Hälfte des Anstiegs dann mehr oder weniger pures Leiden. Dazu kommen widersprüchliche Angaben über die verbleibenden Kilometer bis zum Gipfel.
Aber irgendwann ist auch dieser Gipfel erreicht, und in der Abfahrt gelingt es uns einen weiteren Fahrer einzuholen. Gemeinsam mit diesem Fahrer holen wir bald noch zwei weitere Fahrer ein, so daß wir für die nun folgende rund 30 Kilometer bis zum Schlußanstieg immerhin eine Fünfergruppe haben.
Ich beginne zu rechnen, ob es vielleicht trotz meines Totalausfalls zwischen Kilometer 80 und 105 noch zu einer Zeit unter sieben Stunden reichen könnte. Wie sich bald an den zahlreichen Wellen herausstellt, sind Flo und ich die stärksten Fahrer in der Gruppe. Dennoch sind immer noch rund 25 km plus Schlußanstieg zu absolvieren. Und vor diesem Schlußanstieg habe ich mächtig Respekt. In unserer Gruppe fallen die Führungen immer kürzer aus, einzig Flo scheint noch in der Lage ein halbwegs hohes Tempo zu gehen. Kurz vor dem Abzweig zum Schlußanstieg lasse ich hinter ihm einfach abreißen, als er in die Führung geht; da kein anderer hinterherfährt, rufe ich ihm noch hinterher, er solle fahren. Ich selbst schalte sofort in den kleinsten Gang, und hoffe das 5 Kilometer lange Martyrium, genannt Bergankunft an der Planche des Belles Filles, mit Anstand hinter mich zu bringen. Von meinen Eltern lasse ich mir wie verabredet eine Cola reichen, später noch Wasser, das ich mir aber in erster Linie zum Kühlen über den Kopf schütte. Ich leide nicht richtig, aber schneller fahren will und kann ich auch nicht mehr. Ich zähle die Kilometer rückwärts und versuche mich zu erinnern, ob es hinter der jeweils nächsten Kurve steiler oder flacher wird. Ein paar vereinzelte Teilnehmer der kurzen 100 km-Runde sind schiebenderweise am Straßenrand zu sehen – unglaublich, geht es mir durch den Kopf, wir sind fast doppelt so schnell unterwegs wie dieses Fahrer. Nachdem ich am Anfang des Anstiegs noch hinter alle Fahrer aus unserer Fünfergruppe zurückgefallen war, hole ich diese jetzt nach und nach wieder ein. Irgendwann ist auch dieser Berg zu Ende. Für die (deutlich flacheren) letzten 200 m lege ich noch mal das große Blatt auf, und nach ziemlich genau 6 Stunden und 55 Minuten habe auch ich das Ziel erreicht.
Nach 8 Stunden und 21 Minuten erreicht auch Steffi das Ziel – als fünfte Frau an diesem Tag. Mit dem vierten Platz in ihrer Kategorie schrammt sie nur ganz knapp am Podium vorbei. Eine grandiose Leistung für ihre Marathonpremiere!
Flo ist mit seinem Schlußspurt bergauf rund anderthalb Minuten vor mir auf dem 29. Platz ins Ziel gekommen, während Jan mit einer Zeit von knapp über 7 Stunden auf dem 41. Platz ins Ziel kam.
Am Ende steht für mich ein 37. Platz zu Buche. Die Zeit ist rund eine Minute langsamer als vor zwei Jahren; mein Ziel mich zu verbessern habe ich also in doppelter Hinsicht verfehlt. Zufrieden bin ich damit nicht. Wahrscheinlich wäre es besser gelaufen, wenn ich nicht anfangs auf Biegen und Brechen versucht hätte mit den Besten mitzufahren, aber das war eben mein Ziel gewesen, und das Risiko wollte ich auch eingehen. Damit bleibt es dabei: Mit Trois Ballons hab ich eine Rechnung offen, und nächstes Jahr werde ich versuchen es besser zu machen.

P.S.: Bilder werde ich in den nächsten Tagen noch einfügen. Und sorry an all jene, die bereits auf einen Bericht gewartet haben sollten...

29 Mai 2009

 

Eifelachterbahn

„Schaut mal raus, es regnet. So eine Scheiße.“, ungefähr so ist die Stimmung am Frühstückstisch, nachdem der Tag noch trocken mit teilweise sogar blauem Himmel angefangen hat. Als ob es nicht ausreichen würde, daß unsere Wirtin verschlafen hat, und wir unser Frühstück in geringfügiger Eile herunter schlingen müssen. Mehr als drei Scheiben Brot mit ein bißchen Wurst sind bei mir nicht drin, mein geliebtes Müsli muß leider ausfallen. Immerhin würden Jans Eltern uns ein paar Klamotten am Start abnehmen, so daß wir dick eingepackt von Duppach die acht Kilometer zum Start nach Gerolstein rollen. Es hat zwar aufgehört zu regnen, aber noch steht das Wasser auf den Straßen, und dann ist es auch egal, ob das Wasser von oben oder von unten kommt. Da hatte ich fünf Frühjahrsrennen trocken und sturzfrei überstanden, und dann muß es ausgerechnet bei meinem diesjährigen Marathondebüt regnen. Eifel eben. Trotzdem steigt meine Vorfreude mit jedem Meter, den wir dem Start näher kommen. Keine Spur von der Nervosität, die mich immer vor den Lizenzrennen befallen hatte. Vielleicht liegt es daran, daß Radmarathon fahren doch eher mein Element ist?! Daß meine Form gut ist, weiß ich auch, einzig der Zweifel, ob sie auch schon für 209 km reichen würde, bleibt – seit dem Trainingslager im März war ich nicht mehr länger als 4 Stunden am Stück im Sattel gesessen.
Punkt 8 Uhr fällt der Startschuß, noch ein kurzes „Viel Glück!“ an Steffi, Sebastian und Jan, die sich auf die 140 km- bzw. die 117 km-Runde wagen wollen, und dann geht es begleitet vom hundertfachen Einklickgeräusch der Pedale auch schon los. 209 km durch die Eifel, immer bergauf und bergab, keine längeren Anstiege, keine langen Abfahrten, wenige Flachstücke zum Erholen, und das ganze bei grau verhangenem Himmel und immer wiederkehrendem leichten Regen.
Abgesehen von viel Dreck, sich langsam in Grau verwandelndes Weiß meiner Armlinge und meiner Weste, einem für meinen Geschmack ziemlich hohen Tempo und einem erfolglosen Ausschauhalten nach Stefan Mistler passiert auf den ersten rund 80 Kilometern ziemlich wenig. Ich versuche mich immer an der Spitze des Feldes aufzuhalten, ohne zuviel im Wind zu fahren, versuche herauszufinden, wer nun welche Strecke fährt, um zu wissen, wem ich eventuell nachfahren muß. Auch Jan und Sebastian halten sich immer in den vorderen Positionen auf. Kurz nach Kilometer 80 greift Jan an. Mit ihm geht ein weiterer Fahrer mit. Es ist eine dieser Attacken, bei denen man froh ist, wenn man nicht hinterherstiefeln muß, weil es a) ein Teamkollege ist, der angegriffen hat und b) die angreifenden Fahrer eine andere Strecke fahren und daher keine unmittelbare Gefahr darstellen. Im Feld versuchen Sebastian und ich die anderen Fahrer zunächst mal davon zu überzeugen, daß es nicht notwendig ist hinterherzufahren, weil die beiden vorne „nur“ die 117 km-Runde fahren wollen. Entsprechend halbherzig fällt die Verfolgung zunächst noch aus. Doch das ändert sich bereits wenige Kilometer später: Nino Ackermann greift gemeinsam mit dem diesjährigen Sieger des „Eschborn Frankfurt City Loop“, einem ziemlich kräftigen Luxemburger (insgeheim hab ich ihn „den Kasachen“ getauft, da er mit Astana-Hose fährt, auf der hinten groß „Kazachstan Railway“ prangt) an. Jetzt muß ich mich entscheiden: mitfahren, ja oder nein. Die Entscheidung wird nur wenige Sekunden später auch schon abgenommen. Mit einem kurzen „Fahren. Die holen wir uns!“ kommt Günter Höllige an uns vorbeigefahren. Sofort schließe ich mich gemeinsam mit drei weiteren Fahrern an. Ob Zufall oder nicht, die Stelle für die Attacke war gut gewählt: nach wenigen Metern geht es in den wohl schwersten Anstieg der Runde hinein. Ackermann und den luxemburgischen Kasachen haben wir schnell gestellt, dann geht es weiter. Jetzt wird richtig Gas gegeben, dabei haben wir gerade mal ungefähr Kilometer 95 erreicht. Als es in die Abfahrt geht haben wir auch die anderen beiden Fahrer, bei denen auch Jan dabei ist, gestellt und sind nun zu Zehnt unterwegs. Kurzer Blick auf die Startnummern: ok, zwei Mal 117 km, zwei Mal 140 km, der Rest fährt 209 km. Der Blick nach hinten verheißt allerdings nichts gutes. Sollte der Aufwand umsonst gewesen sein, und wir wieder gestellt werden? Doch der Abstand bleibt konstant und wird nicht kleiner. Bei der ersten Streckenteilung biegt dann Jan Richtung Ziel ab und fährt einem sicheren Gesamtplatz 2 und einem souveränen Altersklassensieg über 117 km entgegen. Wir sind noch zu siebt; zwei davon auf der 140 km-Distanz unterwegs. Kurze Zeit später teilen sich auch unsere Wege. Zu fünft biegen wir auf die 209 km-Schleife ab. Ich denke zum ersten Mal über das Podium nach: ok, der Kasache ist definitiv älter als ich, der eine könnte auch eine höhere Altersklasse sein, die anderen beiden sind garantiert in meiner Altersklasse unterwegs. Schlechtestensfalls also Platz 4 in der Altersklassenwertung. Aber noch sind fast 100 km zu fahren. Trotz weiterhin schlechten Wetters habe ich meine Windweste ausgezogen. Für mich das Zeichen: Jetzt wird Radrennen gefahren. Jetzt gilt's. Als wir das zweite Mal auf der großen Schleife von der großen Straße auf einen Feldweg abbiegen, sagt mir der Blick nach hinten, daß die nächste Gruppe schon einen relativ großen Rückstand auf uns hat. Umso verwunderter bin ich, als plötzlich zwei Fahrer von hinten kommend zu uns aufschließen; fast im gleichen Moment läßt allerdings der Kasache abreißen, was mich sehr wundert, da er bisher einen extrem starken Eindruck gemacht hatte. Plus zwei, minus eins macht dann eine Gruppe von sechs Fahrer. Allerdings sind die beiden Fahrer, die gerade aufgeschlossen haben, definitiv in meiner Altersklasse unterwegs. Irgendwie bin ich dann der Meinung, daß mir die Gruppe ein bißchen zu groß ist, und fahre die nächste kurze Steigung mit etwas mehr Druck hoch – doch meine Hoffnung, daß vielleicht zwei oder drei andere mitgehen, und die Gruppe auf diesem Weg kleiner wird, erfüllt sich nicht. Keiner folgt mir und ich habe schnell ein paar Sekunden Vorsprung. Noch sind jedoch 90 km zu fahren; ein Himmelfahrtskommando diese Kilometer alleine zurücklegen zu wollen. Mir geht auch wieder meine 70 km-Alleinfahrt von Trois Ballons vor zwei Jahren durch den Kopf, für die ich damals am Ende bitter bezahlt hatte. Dieser Fehler würde mir kein zweites Mal passieren, daher nehme ich die Beine hoch und lasse mich wieder einholen. Doch in der Gruppe ist auch kein richtiger Zug drin; von den sechs Fahrer beteiligen sich im Wesentlichen zwei an der Führungsarbeit: ein kleiner Typ, der mir vor allem dadurch auffällt, daß er jeden, aber wirklich jeden Anstieg auf dem großen Batt hochdrückt und ich selbst. Die anderen lassen sich nur noch sehr sporadisch in der Führung blicken. Zwischendurch bekommen wir mal den Abstand nach hinten durchgesagt: vier Minuten. Obwohl bei uns kein richtiger Zug drin ist, scheint uns von hinten keine große Gefahr mehr zu drohen. So geht es bis Kilometer 150 mehr oder weniger ereignislos über die Hügel der Eifel dahin. Dann folgt wieder ein etwas längerer Anstieg, und ich versuche durch eine Tempoverschärfung, die auch von dem kleinen Fahrer, der alles auf dem großen Blatt tritt, aufgenommen wird, die Gruppe zu sprengen, da mir langsam doch ein paar zu viele Leute nur noch hinten draufliegen. In der folgenden Abfahrt teilt sich die Gruppe dann auch in zwei Dreiergruppen, aber die hintere Gruppe schafft es mit vereinten Kräften wieder zu uns aufzuschließen. Dann folgt der längste Anstieg der Runde, an dem schon in der ersten Runde jene Attacke ging, die zur Bildung dieser Gruppe geführt hatte. Hier versuche ich wieder durch eine Tempoverschärfung die Gruppe zu verkleinern. Wieder hilft mir jener Fahrer, dem der Umwerfer zu fehlen scheint, in dem er meine Attacke weiterführt – und dieses Mal sind wir erfolgreicher: ein Fahrer vom Corratec-Team läßt abreißen; wir sind nur noch zu fünft. Und in dieser Fünfergruppe geht es auch in die letzte Schleife: die kleine Schleife, die am Anfang zuallererst zu befahren war, muß noch ein weiteres Mal bewältigt werden. Mittlerweile ist es von oben trocken und so langsam läßt sich sogar die Sonne ein bißchen blicken. Hier folgt noch mal ein längerer, wenn auch nicht besonders steiler Anstieg. Jetzt wird noch mal Vollgas gefahren und dieses Mal bin ich es, der zu kämpfen hat, um dranzubleiben. Der Typ mit dem großen Blatt und einer der beiden Fahrer, die von hinten zu uns aufgeschlossen hatten, sind jetzt die stärksten in unserer Gruppe. Ein Belgier, der ebenfalls aus der zweiten Gruppe nach vorne gefahren war, fällt hier an diesem Berg dem Tempo zum Opfer, und mir kommen in diesem Moment die Rennkilometer der absolvierten Lizenzrennen zugute, die mir doch eine gewisse Rennhärte gegeben haben. Mit meinen (fast) letzten Körnern rette ich mich über den Hügel. Wir sind inzwischen bei Kilometer 180 angelangt und so langsam macht sich bei mir bemerkbar, daß ich seit dem Trainingslager im März nicht mehr länger als vier Stunden am Stück im Sattel gesessen hatte – ich bin ziemlich alle. In der irrigen Hoffnung, es könnte die letzten zwölf Kilometer nur noch bergab gehen, biegen wir zu viert auf den Weg zurück nach Gerolstein ein. Jetzt quälen mich in erster Linie zwei Sorgen, zum einen, daß ich doch noch irgendwo abreißen lassen muß und mich so um den Lohn meiner Arbeit bringen würde, und zum anderen, daß der vierte im Bunde sich doch in den Zielspurt einmischen würde, obwohl er seit 90 Kilometern nur noch hinten draufgelegen hatte. Die letzten Hügel auf dem Weg zurück nach Gerolstein werden erwartungsgemäß zur Qual, aber irgendwie schaffe ich es dranzubleiben. Auf der breiten Hauptstraße Richtung Gerolstein wird dann noch mal richtig am Horn gezogen: der Fahrer, der von hinten zu uns gekommen war, hat tatsächlich noch die Kraft auf der leicht abfallenden Straße 50 km/h zu treten. Ich denke mir, daß ein dritter Platz wohl das höchste der Gefühle wäre, nachdem ich auch seit rund 30 Kilometern nur noch alibiartig durch den Wind gefahren bin. Als Gerolstein erreicht ist, türmt sich vor uns noch mal ein kurzer Stich auf, vor dem uns Sebastian gestern schon gewarnt hatte. Hier attackiert jener, der zuletzt das Gros der Führungsarbeit gemacht hatte; ich steige hinterher und kann kurzzeitig sogar ein kleines Loch zwischen mich und die beiden Verfolger bringen, aber dann merke ich ziemlich schnell, daß in meinen Beinen einfach nichts mehr drin ist. Noch vor der Kuppe werde ich von dem Mann mit dem großen Blatt ein- und überholt. In der folgenden Abfahrt versuche ich dranzubleiben, und dann ist auch schon das Ziel erreicht. Mit lautem Jubel werde ich von Steffi, Jan und Sebastian in Empfang genommen und rolle als Dritter ins Ziel. Vor mir Sebastian Küfner auf Platz eins, der aus der zweiten Gruppe zu uns aufgeschlossen hatte, und Kai-Uwe Gerstenberger, der wohl seinen Umwerfer auf 209 Kilometern nicht ein einziges Mal betätigt hat. Ein fairer Zieleinlauf, der die Kräfteverhältnisse auf dem letzten Drittel der Distanz korrekt widerspiegelt. Im Ziel heißt es dann erstmal ein bißchen für die Kameras posieren, und dann kommt auch schon Steffi angerollt, die ich zunächst ein wenig trösten muß, da bei ihr nach 20 Kilometern bereits die vermaledeite Defekthexe in Form eines Reifenschadens zugeschlagen hatte und ihr ihr Rennen komplett versaut hat.
Für mich selbst ist ein Traum in Erfüllung gegangen – seit 10 Jahren hatte ich davon geträumt mal bei einer Siegerehrung auf so einem verfluchten Podest zu stehen; heute hatte ich es endlich geschafft.
Insgesamt war es ein äußerst erfolgreiches Wochenende für das ganze Team: Jan belegte Gesamtplatz 2 und Platz 1 in seiner Altersklasse auf der 117 km-Distanz, für Sebastian sprang ein sechster Gesamtplatz und ein dritter Altersklassenrang heraus, und auch Steffi konnte nach Reifenschaden, fast 100 km-Alleinfahrt und einer falschen Streckenleitung durch die Streckenposten an einer der Streckenteilungen auf der 117 km-Distanz noch Platz 9 in der Frauenkategorie belegen. Vier Starter und dreimal bei der Siegerehrung vertreten – wenn das mal kein großer Erfolg ist.
Die detaillierten Ergebnisse sind unter http://www.gerolsteiner-radsport-festival.de/ zu finden, ebenso eine Bildergalerie, in der alle von uns mehr als einmal vertreten sind.

18 Mai 2009

 

Frühjahrsrennen

Nach fast 10 Jahren Abstinenz vom Lizenzrennsport (ein kleines C-Kriterium im Jahre 2007 mal unter den Tisch fallen lassend) stand ich wieder in Schönaich am Start. Meine Erinnerungen an dieses Rennen waren nicht von der besten Sorte, immerhin war die 2000er Ausgabe des Jahres eine ziemlich verregnete gewesen und für mich war damals nach nicht einmal der Hälfte des Rennens Schluß – mit Grausen erinnere ich mich daran, wie ich vor Kälte schlotternd auf der schnellen Abfahrt nicht einmal mehr wirklich geradeaus fahren konnte. Da stand ich nun inmitten von mehr als 200 anderen Fahrern, die alle furchterregend gut austrainiert aussahen. In meinem Überschwang hatte ich auch gleich für das ABC-Rennen gemeldet (das C-Rennen startete mir zu früh...), in der – wie sich alsbald herausstellen sollte falschen – Annahme, daß bei doppelter Renndistanz im Vergleich zur C-Klasse das ABC-Rennen halbwegs gediegen losgehen sollte. Vom Start weg gab es nur eine Geschwindigkeit: Vollgas. Und für mich nur eine Richtung im Feld: nach hinten. Durch mangelnde Erfahrung im Feld und zu geringe Leistungsfähigkeit meinerseits verlor ich Position um Position. Zwei Runden (von 14!!!) lang konnte ich mich halbwegs im Feld über den giftigen Zielanstieg retten, in Runde drei kam es dann in der Anfahrt zum Anstieg direkt vor mir auch noch zu einem Sturz, den ich mit mehr Glück als Können irgendwie umkurven konnte. Der nun folgende Sprint ans Ende des Feldes führte dazu, daß ich bereits am Fuß des Anstiegs nichts mehr zuzusetzen hatte, und folgerichtig verlor ich in dieser Situation den Anschluß ans Feld. Eine halbe Runde lang haben wir dann noch zu fünft verzweifelt dem enteilenden Feld hinterher geschaut, bevor wir uns dann in unser Schicksal ergeben haben. Der Rest des Rennens ist schnell erzählt und nicht besonders aufregend: drei Runden lang fuhr ich meiner Fünf-Mann-Gruppe, bevor auch diese Gruppe für mich zu schnell wurde und mich am Anstieg abhängte. Aus Prinzip wenigstens die Distanz des C-Rennens zurückgelegt zu haben, bin ich dann noch eine Runde alleine gefahren, um dann nach insgesamt 7 Runden endgültig die Segel zu streichen.

Es konnte also nur besser werden. Für das Wochenende 25./26.04. sind dann Steffi und ich kurzerhand ins schöne Frankenland gefahren, um bei den Rennen in Fürth/Cadolzburg und Karbach zu starten. Beides Rennen, die ich aus meiner ersten (und bisher einzigen Rennsaison) kannte und in guter Erinnerung hatte. Außerdem waren beide Rennen als B/C-Rennen ausgeschrieben, was – wie ich hoffte – eher meiner Kragenweite entsprechen sollte. „Unauffällig mitgefahren“ umschreibt diese beiden Rennen aus meiner Sicht wohl am besten. In Cadolzburg war ich in der sechsten von sieben Runden mal kurzzeitig an der Spitze des Feldes (nur um dort festzustellen, daß es im Feld doch bequemer ist ;-)), bevor ich dann in der letzten Runde wieder ins Mittelfeld zurückfiel, um mich dann im Schlußspurt bergauf, auch mangels besserer Position in der Anfahrt, mit einem Platz um Platz 60 bis 70 zufrieden zu geben. Das Rennen in Karbach verlief für mich ähnlich, auch wenn mir dieses Rennen mit seinen zwei längeren Anstiegen topographisch besser gelegen kam als das Rennen in Cadolzburg. Wieder waren sieben Runden zurückzulegen, was dieses Mal einer Renndistanz von rund 120 km entsprach (in Cadolzburg waren es knapp 110 km gewesen). In Runde 3 gab es am Ende des ersten Anstiegs kurz eine Windkantensituation, der ich fast zum Opfer gefallen wäre, aber in den folgenden Runde hielt ich mich dann bereits im Anstieg auf der linken Fahrbahnseite, um den Anstieg auf der windgeschützten Seite zu absolvieren. Wie schon am Vortag in Cadolzburg stellte ich auch in Karbach mit einiger Zufriedenheit fest, daß meine Form anscheinend immerhin schon so weit gediehen war, daß, sobald es mir weh tat, es augenscheinlich auch allen anderen mindestens genauso weh tat und das Tempo entsprechend etwas absank. In der letzten Runde beging ich dann den Fehler den Berg zu weit hinten in Angriff zu nehmen, so daß ich mich plötzlich am Ende des ersten Anstiegs in der dritten Gruppe des geteilten Felds wiederfand. Bis zum zweiten Anstieg waren wir aber wieder am vorderen Feld dran, nur um in diesem Anstieg wieder leicht den Anschluß zu verlieren, was in einer Kamikaze-Abfahrt gemeinsam mit einem weiteren Mitstreiter resultierte. Immerhin war diese Kamikaze-Aktion von Erfolg gekrönt – am Ende der Abfahrt waren wir wieder am Feld dran. Auf den restlichen Kilometern bis zum Ziel fühlte ich mich dann wieder so gut, daß ich sogar gedachte in den Schlußspurt hineinzuhalten in der Hoffnung auf einen Platz unter den ersten 20. Dieser Plan wurde dann jedoch von einem Fahrer, der sich mehr oder weniger direkt vor mir überschlug massiv durchkreuzt. Nachdem ich durch den Sturz ca. 15 Positionen verloren hatte, bin ich dann einfach nur noch ins Ziel rein gerollt und dürfte ungefähr auf Platz 50 gelandet sein. Ein wenig angefressen, daß es nicht für mehr gereicht hatte, war ich im Ziel dann schon, aber im großen und ganzen war ich mit den beiden Rennen sehr zufrieden. Ich wollte zwei lange Straßenrennen durchfahren, und ich bin zwei lange Straßenrennen durchgefahren – Ziel erreicht könnte man sagen.

Der nächste Start war dann bei den baden-württembergischen Meisterschaften in Geislingen – wieder ein ABC-Rennen. Mit etwas unguten Erinnerungen an Schönaich stand ich da nun mal wieder in einem Feld von fast 200 Fahrern und hoffte inständig, daß es nicht wieder so Vollgas wie in Schönaich losgehen würde. Denn eines hatte ich in Cadolzburg und Karbach gesehen: in Relation zu den anderen baute ich über die Distanz weniger ab, hier kam mir anscheinend meine gute Grundlage als Marathonfahrer zu gute. Es ging also vom Start weg erst einmal bergauf, und – als wären meine Wünsche erhört worden – das Tempo war zunächst annehmbar. Die dritte von zehn Runden war für meine Gefühl sogar ausgesprochen langsam. Ich genoß es Radrennen zu fahren. Mit dem Genuß war es dann in der fünften Runde schlagartig vorbei, als das U23-Bundesliga-Team „Bergstraße“ sich in nahezu voller Mannschaftsstärke vorne einreihte und das Feld komplett zerlegte. Mit Ach und Krach schaffte ich es mich im Feld (bzw. dem was dann noch übrig war) zu halten und hatte nur einen Gedanken: „Noch so eine Runde, und ich bin weg.“ Liebenswerterweise wurde mir in der sechsten Runde ein wenig Erholung gegönnt, und auch die siebte Runde war zwar schnell, aber lang nicht so schnell wie die fünfte es gewesen war. Mittlerweile hatte ich mit einiger Zufriedenheit wahrgenommen, daß das „Feld“ nur noch aus etwa 40 Fahrern bestand. In der neunten und damit vorletzten Runde prägte dann vor allem ein Gedanke mein Denken: „Bitte gebt mir noch eine langsamere Runde.“ Kaum hatte ich es gedacht, sah ich wie am Fuß des zweiten Anstiegs der Runde Team Rothaus mit fünf Mann das Tempo verschärft. Oben ging es dann wieder in Einerreihe daher, vor mir taten sich ein ums andere Mal Löcher auf, von denen ich schlußendlich irgendeines nicht mehr zu schließen in der Lage war. Ich fuhr die neunte Runde dann noch zu Ende, um mir die zehnte Runde dann zu schenken (ich hatte auch leichte Krämpfe und etwas zu wenig gegessen), und zog für mich ein überwiegend positives Fazit: In einem alles in allem stark besetzten Rennen hatte ich mich fast bis zum Schluß in der 40-Mann-Kopfgruppe halten können. Die Formkurve zeigt auf jeden Fall ziemlich steil nach oben, auch wenn es dieses Mal noch nicht ganz gereicht hat.

Das vorerst letzte Lizenzrennen, bevor die Marathonsaison mit dem Gerolsteiner Radsportfestival für mich startet, war „Rund um Schloß Ummendorf“ in Ummendorf bei Biberach, wieder ein ABC-Rennen, wobei man ehrlicherweise dazu sagen muß, daß laut Startliste etwa 70 % der Starter C-Fahrer waren, und die ganz starken Fahrer von Team Rothaus oder auch vom Team Bergstraße beim parallel stattfindenden U23-Bundesliga-Rennen am Start waren. Nichtsdestotrotz standen auch hier wieder 100 km, verteilt auf 14 Runden auf dem Plan. Pro Runde waren auch wieder rund 120 Höhenmeter zu bewältigen. Dieses Mal ging es bereits in der vierten Runde richtig zur Sache und eine neunköpfige Spitzengruppe konnte sich absetzen. Dahinter hielt ich mich im Feld, und konnte mich zumindest am Anstieg auch in den vorderen Positionen behaupten. Trotz teilweise sehr ruhigem Tempo im Feld (die Spitzengruppe hatte sehr schnell drei Minuten Vorsprung) wurde das Feld Runde für Runde kleiner, bis zum Schluß nur noch etwa 20 Fahrer übrig geblieben waren. Im Finale bin ich dann allerdings gefahren wie eine Mischung aus einem blutigen Anfänger und einem Dummkopf, weshalb mir nur der drittletzte Platz meiner Gruppe und der 27. Platz insgesamt blieb. Aber Spaß gemacht hat's! Und über die 10 Euro Prämie für meinen 27. Platz konnte ich mich dann freuen wie ein kleines Kind an Weihnachten ;-)

23 November 2008

 

Äch bin wieder da!

Lance Armstrong kommt zurück. Ivan Basso auch. Alexander Vinokourov will auch zurück. Da kann ich schlecht zurückstehen.

Nachdem mir Trondheim-Oslo letztes Jahr ziemlich den Zahn gezogen hat und auch der im August letzten Jahres folgende Ötzi nicht nach meinen Vorstellungen lief, konnte ich mich im vergangenen Winter nicht wirklich motivieren eine seriöse Vorbereitung für 2008 durchzuziehen. Und dann kam es, wie es kommen mußte: keine Form bedeutet hinterherfahren, bedeutet noch weniger Motivation hart zu trainieren (Hallo Trotzreaktion, wo bist Du denn, wenn man Dich mal brauchen könnte?!), resultiert in noch weniger Form, usw. usf..
Mehr als eine (allerdings wunderschöne!) einwöchige Alpentour ist daher im Jahr 2008 nicht rausgesprungen.




Es hat schon eine Riesenleistung eines Trainingskollegen beim Ötzi gebraucht, um mich wieder auf's Rad zu bringen (Danke, Jan!). Plötzlich war es wieder da, dieses "Das kann ich auch"-Gefühl, der Wille und die Bereitschaft sich im Training zu quälen, kurzum die Motivation wieder richtig Rad zu fahren und nicht nur formlos durch die Gegend zu eiern. Auf den kilometerärmsten August und einen vergleichbar schwachen September folgte der wohl trainingsreichste Oktober meiner ganzen Radkarriere. Eine kleine Motivationshilfe aus Kohlefaser hab ich mir dann auch noch geleistet (Danke, Gerd ;-)), die mich nun jeden Abend in meinem Wohnzimmer daran erinnert, daß man für schönes Material auch entsprechende Beine haben sollte. Der November schlägt auch schon mit 22 Trainingseinheiten zu Buche (dank Winterpokal minutengenau dokumentiert :-)).

Jetzt bleibt für 2009 nur noch zu hoffen, daß ich neben Maloche, Training und Radmarathons auch noch ein bißchen Zeit finde mein Blog zu pflegen. Es ehrt mich jedenfalls riesig, wieviel Rückmeldung ich für meine Berichte schon bekommen habe, und mich "wildfremde" Menschen im TOUR-Forum anschreiben, was denn dieses Jahr los gewesen sei. Danke dafür!

P.S.: Den ersten "Titel" der Saison 2008/09 gab's auch schon: Ich hab gefremdelt und darf mich seit letztem Samstag inoffizieller RIG-Meister in der 1000m-Einerverfolgung nennen ;-P (Daß 1000m dermaßen weh tun können, hätte ich ja nie gedacht...)


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